Herr Drißner, Sie betreiben die internationale Schachseite 64.place. Was ist das Konzept dahinter?
Ich finde, Schach ist die vielleicht beste Erfindung, um Menschen zu verbinden. Niemand fragt nach Alter, Geschlecht oder Herkunft. Wir spielen einfach nur. 64.place soll all jene Orte würdigen, die uns Schachspielern ein Zuhause geben. Orte, die für uns spannend sind und uns eine schöne Zeit bereiten. Die Plattform hat den Ehrgeiz, ein weltweites Verzeichnis dieser Orte zu werden. Die Seite wächst und füllt sich langsam, aber es gibt noch viele leere Stellen auf der Weltkarte.

Was muss ein Ort haben, um im Verzeichnis zu erscheinen?
Es gibt nur eine Bedingung: Der Ort muss irgendetwas mit Schach zu tun haben. Anfangs wollte ich vor allem Schachcafés erfassen. Wobei ich den Begriff Schachcafé sehr weit fasse: Das können auch Bars, Restaurants oder Gasthäuser sein, in denen Schachspieler willkommen sind oder zumindest geduldet werden. Genau diese seltenen Orte wollte ich hervorheben. In Großstädten werden die Lokale immer mehr zu reinen Umsatzmaximierungsmaschinen. Und auf dem Land müssen immer mehr traditionelle Gasthäuser zumachen. Ich habe dann aber recht schnell gemerkt, dass es viel mehr interessante Orte mit Schachbezug gibt.
Sie listen also nicht nur Schachcafés auf, sondern eine bunte Mischung?
Genau. Es kann alles sein. Natürlich auch Schachvereine. In Deutschland ist das nicht so wichtig, denn da gibt es mit schach.in bereits eine exzellente Liste.
Deutschland ist bei den Vereinen und der Schachtradition vermutlich eh unschlagbar. Aber man kann natürlich gerne Schachvereine eintragen. Dann auf jeden Fall auch Buchläden, Museen, die sich mit Schach beschäftigen, und historisch bedeutsame Orte. Zum Beispiel hat jemand das Hotel Imperial in Karlovy Vary (Karlsbad) in Tschechien eingetragen. Dort fand 1923 das Turnier statt, das der Karlsbader Bauernstruktur den Namen gab. Ich war nie dort und weiß nicht, ob man da heute überhaupt noch was zum Thema Schach sehen kann. Es reicht aber ja auch, auf einen Kaffee vorbeizuschauen und für einen Moment die Geschichte des Ortes auf sich wirken zu lassen. Je nach Alter hat man andere Zugänge zum Schach. Ich merke es inzwischen ja selber: Je älter ich werde, desto mehr interessiere ich mich für historische Schachereignisse und Persönlichkeiten.
Was suchen die Leute denn am häufigsten?
Tatsächlich werden die Grabstätten berühmter Spieler oft gesucht. Genauso wie Freiluftschach-Anlagen. Ältere Menschen spielen gerne in Parks oder gehen dorthin, in der Hoffnung, dass jemand dort spielt und sie ins Gespräch kommen. Da gibt es tolle Projekte in den Niederlanden oder in Schweden. Ich möchte mit der Seite 64.place nämlich alle Schachspieler im Blick haben: nicht nur Turnierspieler, sondern auch jene, die einfach nur die Regeln kennen und gerne spielen, sowie die Leute, die Schach nur aus Videos und Apps kennen. Das wird von traditionellen Schachliebhabern manchmal vernachlässigt oder abgetan. Aber die Schachszene hat sich stark verändert. Auch wenn es jetzt nachgelassen hat, habe ich kurz nach dem Start der Plattform recht viele Anfragen bekommen, ob ich denn die Drehorte der Netflix-Serie „Das Damengambit“ in Berlin kennen
würde. Leider bin ich da auch nicht wirklich ein Experte. Solche Orte sind auf der Seite aber auch willkommen. Schach ist groß genug, um allen Platz zu bieten.
Können Schachspieler eigene Lieblingsorte vorschlagen oder eintragen?
Wunderschön, DANKE Michael