
GM Vitaly Kunin
Großmeister Vitaly Kunin, wohnhaft in Darmstadt ist Deutscher Meister 2023 und wechselt für die kommende Sasion zum Verein MSA Zugzwang, für den er in der 1. Bundesliga spielen wird. Aus diesem Anlass haben wir ein Interview mit ihm geführt.
Lieber Vitaly,
es gibt eine überraschende Nachricht: du spielst kommende Saison für den Münchner Verein MSA Zugzwang! Wie kam es dazu?
Ich habe die letzten 23 (!) Jahre für Mörlenbach in Oberliga gespielt. Leider sind wir diese Saison abgestiegen. Da Hessenliga nicht meinen Erwartungen entspricht, suchte ich eine neue Mannschaft in der Bundesliga für Saison 2025/2026. Und da ich bei Zugzwang viele Spieler kenne, habe ich dort angefragt, und wurde gleich genommen.
Für deinen alten Verein hast du „unterklassig“ gespielt. War die erste Bundesliga schon immer dein Traum? Und ist dir klar, welche Gegner dort auf dich warten?
Nein, „Traum“ kann man nicht sagen. Sonst hätte ich schon längst in der Bundesliga angefangen. Während meinen 23 Jahren für Mörlenbach habe ich schon einige Bundesliga Angebote bekommen, vor allem als ich noch jung war, und meine Elo-Zahl fast 2600 war. Aber ich habe alles ohne Verhandlungen abgelehnt. Die Leute und die Atmosphäre sind in Mörlenbach so toll, dass ich diese ganze Zeit zufrieden war und nichts ändern wollte. Und auf starke Gegner bin ich genug bei Einzelturnieren getroffen. Auf der anderen Seite habe ich mir immer gedacht, es wäre schon toll, irgendwann in der Bundesliga zu spielen. Und dieses Jahr habe ich gedacht – evtl. soll ich jetzt versuchen, bevor es zu spät wird – also bevor ich zu alt werde. Außerdem habe ich gerade schlechte Schachphase erlebt und habe gedacht – ich muss was in meinem Schachleben ändern. Ob es hilft, wird nur die Zeit zeigen.
Außerdem ist der Unterschied zwischen Bundes- und Hessenliga einfach zu groß. In Hessenliga wird sogar ohne Elo-Auswertung gespielt, also quasi Trainingspartien. So ist es schwer Motivation zu finden. Außerdem ist auch die Hessenliga mittlerweile stark genug. Selbst wenn ich in Mörlenbach geblieben wäre, wären unsere Aufstiegschancen eher gering. Das sind die Gründe für meine Entscheidung. Aber ich bleibe mit allen Mörlenbachern in Kontakt – 23 Jahre sind zu viel, man kann es nicht einfach abhaken. Welche Gegner auf mich in Bundesliga warten ist mir klar – Internet kann ich bedienen. 🙂
Wie hoch ist aktuell deine Elo-Zahl?
Ich stand meist bei 2550, aber in den letzten Turnieren und Mannschaftskämpfen habe ich eine extrem schlechte und unglückliche Phase erlebt und bin jetzt auf knapp unter 2500 gefallen. Ich hoffe, die nächsten Turniere in München und Stavanger werden besser laufen. Außerdem habe ich vor, mich im Sommer aktiv mit Schach zu beschäftigen um bis zur nächsten Saison wieder in guter Form zu sein.
Welches Brett strebst du bei Zugzwang an?
Das Brett ist mir eigentlich egal, aber im Prinzip natürlich je höher – desto besser.
Liegen dir Mannschaftskämpfe?
Ich spiele gerne Mannschaftsspiele, außer Deutschland bin ich noch in vier weiteren Ländern aktiv. Der Nachteil wäre evtl., dass ich oft etwas unvorhersehbar spiele. 🙂 Kann also sowohl gute als auch schlechte Partien/Ergebnisse zeigen.
Bist du Schachprofi?
Ich bin 41 und arbeite als SAP-Berater, bin aber weiterhin als Trainer und Spieler aktiv. In 2024 habe ich 111 klassische Partien gespielt.
Wie bringst du so viel Schach und deinen Beraterjob unter einen Hut?
Naja, es sind 30 Urlaubstage im Jahr, wenn man da Doppelrunden spielt, sind es schon 60 Partien. Dazu kommen noch Wochenende und Feiertage. Ich spiele fast jedes Wochenende irgendwo, meistens für einen meiner Vereine. Oder ein kleines Turnier. Im „Notfall“, wenn es gar nichts klassisches gibt, dann ein Schnellschachturnier.
Das Problem ist nicht nur Beruf und Spielen zu kombinieren, sondern vor allem Beruf, Spielen, Trainertätigkeit und Familie zu kombinieren. In meinem Fall auch zwei Familien (Sohn aus der 1. Ehe und neue Familie). Aber auch das versuche ich es irgendwie hinzukriegen. Wenn das Turnier in einer interessanten und schönen Stadt stattfindet, nehme ich oft die Familie mit. So war ich z.B. in Zürich mit meinem Sohn und nach München fahre ich mit meiner Frau.
Was würdest du machen, wenn es in deinem Leben ab morgen kein Schach mehr gäbe?
Das wäre super! 🙂 Dann könnte ich als normaler Mensch leben, also „nur“ Beruf und Familie zu haben. Außerdem hätte ich dann viel öfter mein Tischtennisverein besucht, wo ich auch Mitglied bin. Und vor allem würde ich dann im Urlaub wirklich Urlaub machen und nicht Schach spielen. 🙂
Vitaly, vielen Dank für das Interview – wir wünschen dir viel Erfolg in der kommenden Saison!
Das Interview führte GM Gerald Hertneck im Auftrag vom Verein Zugzwang
Hier noch ergänzend der DWZ-Verlauf (blaue Linie) von GM Kunin über die letzten 10 Jahre. Man sieht, dass er zwischen 2500 und 2600 gependelt hat.
Hallo Gerry
Freut mich sehr für MSA Zugzwang, dass Vitaly Kunin nun in der Mannschaft spielt und die Mannschaft so verstärkt. Für die neue Bundesliga Saison wünsche ich der Vitaly Kunin und der Mannschaft viel Erfolg – bin ein grosser Fan von MSA Zugzwang!!
Beste Grüsse aus der Schweiz, Stefan
Lieber Stefan, es ist jetzt wohl an der Zeit, die Goldmedaille für den treuesten Leser des Schachkickers zu vergeben – der Preis geht an unseren Fan Stefan Salzmann aus der Schweiz!
Lieber Gerry
Besten Dank für die Goldmedaille!
Gruess aus der Schweiz
Stefan
Zu der letzten Frage:
Etwas was man gut kann, gibt man nicht so ohne weiteres auf. Ich kenne nur ganz vereinzelt jemanden, der etwas aufgegeben hat, das er gut kann.
Mit Vitaly Kunin und Leonardo Costa habt ihr zwei prominente Verstärkungen bekommen.
Es ist zwar schade für einige bisherige Stammspieler, aber euer Team wird insgesamt stärker und wird sicher als Kandidat für einen gesicherten Mittelfeldplatz gesehen.
Ob wir auf einen Mittelplatz hoffen können, ist zum heutigen Stand sicher noch offen. Aber es war uns bei Zugzwang wichtig, uns noch mal in gesundem Umfang zu verstärken.
Ich weiß ja nicht, ob Vitaly Kunin auch Kontakte zum SV Hofheim (erste Mannschaft mit Serben und Kroaten stark „balkanisch“) hat oder hätte, geographisch wäre es ab Darmstadt naheliegender – Hofheim liegt im Taunus grob zwischen Frankfurt und Wiesbaden. Aber Hofheim ist letzte Saison gleich zweimal knapp nicht in die Bundesliga aufgestiegen: erst Platz 2 in der 2. Bundesliga Süd, nach Mannschaftspunkten gleichauf mit Zugzwang (4-4 im direkten Vergleich) und ein Brettpunkt weniger, dann 4-4 im Stichkampf gegen SF Berlin und schlechtere Berliner (sic) Wertung. Entschied da womöglich erneut ein „Detail“ zu Gunsten von Zugzwang?
Großmeisterliche Gegner hatte Kunin zuletzt anscheinend vor allem in der niederländischen, belgischen, luxemburgischen, österreichischen und französischen Liga – ein Land hat er da vielleicht vergessen bzw. Frankreich nicht mehr der Fall.
Aus Sicht eines titellosen Spielers interessant, dass er nicht Elo-gewertete Partien in der Hessenliga als „Trainingspartien“ bezeichnet. Für viele auf meinem Level ist DWZ wohl ebenso wichtig wie Elo – letztere basierend auf wenigen Partien oder auch gar nicht vorhanden.
Lieber Thomas, diesen Gedanken hatte ich natürlich auch, aber nachdem er bei Zugzwang angefragt hat, habe ich bzw. haben wir nicht lange gefackelt!