
GM Bacrot. Photo: Wikipedia.
Eine Meldung aus unserem Nachbarland Frankreich, die betroffen macht: GM Étienne Bacrot, achtfacher französischer Meister im Schach, wurde im August 2025 überraschend nicht für die französische Nationalmannschaft bei den Europameisterschaften in Batumi nominiert. Trotz eines hohen Elo-Rankings (Nr. 3 in Frankreich, Elo 2637) war die Auswahlentscheidung der Fédération Française des Échecs (FFE) und ihres Kapitäns GM Sébastien Mazé sehr umstritten. Die Gründe für Bacrots Ausschluss blieben undurchsichtig; als Hauptargument wurde seitens der FFE die „Teamkohäsion“ genannt, während Bacrot in Interviews auf einen nicht nachvollziehbaren und nicht transparenten Prozess hinwies.
Der Präsident des Französischen Verbands, Eloi Relange gab dazu folgende Erklärung ab:
„Sébastien Mazé trifft die Auswahl der Spieler, dann liegt es auch am Kapitän, seine Auswahl zu verteidigen. Ich stimme diesem Konstrukt zu, weil es den Kapitän perfekt befähigt, und ich habe volles Vertrauen in seine Fähigkeit, heute und auch morgen zu performen. Die Entscheidung von Sébastien Mazé wurde getroffen, Étienne Bacrot bei dieser Auswahl nicht zu berücksichtigen, insbesondere für das erste Kriterium, das der Zusammenhalt der Gruppe, des Teams, ist. Dieses Kriterium wurde unter anderem für diese Auswahl vorgeschlagen. Ich werde jetzt nicht mehr sagen, es ist eine Situation, die jeder bereut.“
Doch damit gab sich GM Bacrot nicht zufrieden, und ging mithilfe eines Anwalts gegen die Entscheidung vor.
Der Nationale Olympische und Sportliche Ausschuss Frankreichs (CNOSF) gab Bacrot in einer Empfehlung vom 3. Oktober Recht und forderte die FFE auf, transparente und sportlich objektive Auswahlkriterien festzulegen. Der CNOSF kritisierte das Fehlen solcher Kriterien sowie die Intransparenz beim Auswahlprozess und monierte einen möglichen Missbrauch der Kompetenzen der Auswahlverantwortlichen. Dies könnte die Annullierung der getroffenen Entscheidung rechtfertigen. Der Verband muss nun seine Prozesse überarbeiten und künftig Loyalität und den Ausschluss persönlicher Beziehungen sicherstellen.
Bacrot erwägt nun eine finanzielle Entschädigung, da ihm für den fehlenden Einsatz rund 4.500 Euro entgangen sind. Ohne Einigung könnte die Angelegenheit vor Gericht weitergehen. Die Frage, ob Bacrot künftig wieder für Frankreich bei internationalen Wettbewerben antreten wird, bleibt offen, zumal das Verhältnis zur FFE stark belastet ist. Die nächste große Gelegenheit dazu ist die Schacholympiade 2026, bis dahin könnten sich die Fronten eventuell wieder entspannen.
Aus unserer Sicht sollte das erste und maßgebliche Kriterium für Nominierungen die aktuelle Elozahl sein, daher können wir die Entscheidung nicht nachvollziehen.
Die ganze Meldung bei Europe Echecs ist hier nachzulesen.
Find ich gut, den Gang vor’s Gericht.
Bin mal gespannt, wann auch die Fußballer vor Gericht gehen. Die Auswahlkriterien sind ja hier auch nicht unbedingt transparent.
Das Problem liegt eben darin, dass die Elozahl hart erarbeitet ist, und auch ein objektiver Gradmesser der Spielstärke ist. Wenn nun ein Verband auf die Idee kommt, diese nur als Zweit- oder Drittkriterium zu berücksichtigen, dann fragen sich die Betroffenen zu recht, ob alles fair zuging. Mir ist das selbst vor etwa 30 Jahren in der deutschen Nationalmannschaft passiert, und es war alles andere als angenehm! Und hinzu kommt eben noch, dass die Teilnahme an der EM oder Olympiade ein geldwerter Vorteil ist, denn in der Regel erhalten die Spieler ein Honorar von ein paar tausend Euro. Gerade Schachprofis können auf eine solche Einnahme kaum verzichten.