26.11.2025

4 Gedanken zu “Die Affäre um GM Étienne Bacrot

  1. Find ich gut, den Gang vor’s Gericht.
    Bin mal gespannt, wann auch die Fußballer vor Gericht gehen. Die Auswahlkriterien sind ja hier auch nicht unbedingt transparent.

    1. Das Problem liegt eben darin, dass die Elozahl hart erarbeitet ist, und auch ein objektiver Gradmesser der Spielstärke ist. Wenn nun ein Verband auf die Idee kommt, diese nur als Zweit- oder Drittkriterium zu berücksichtigen, dann fragen sich die Betroffenen zu recht, ob alles fair zuging. Mir ist das selbst vor etwa 30 Jahren in der deutschen Nationalmannschaft passiert, und es war alles andere als angenehm! Und hinzu kommt eben noch, dass die Teilnahme an der EM oder Olympiade ein geldwerter Vorteil ist, denn in der Regel erhalten die Spieler ein Honorar von ein paar tausend Euro. Gerade Schachprofis können auf eine solche Einnahme kaum verzichten.

  2. Die Elozahl ist dabei immer eine Kombination aus Vergangenheit und Gegenwart (Zukunft kann sie natürlich nicht abbilden). Wenn der französische Verband Firouzja und Vachier-Lagrave nicht berücksichtigt hätte wäre es eine Überraschung – aber die wollten vermutlich selbst nicht oder hatten höhere (aus ihrer Sicht übliche und legitime) finanzielle Erwartungen, die der Verband nicht erfüllen konnte oder wollte.

    Dahinter ist es aktuell für die vorderen Bretter noch knapper als zum Zeitpunkt der Nominierung: Bacrot 2627, Maurizzi 2624, Lagarde 2617. Neuzugang Kamsky (2604) wäre spielberechtigt aber wurde nicht berücksichtigt, Fressinet (2602, ebenfalls „Altmeister“) wurde berücksichtigt, Moussard (2600) wurde nicht berücksichtigt – alles unter der Annahme, dass alle Interesse hatten. Maurizzi gehört in die Nationalmannschaft, zwischen Lagarde und Moussard war es womöglich knapp, dann Fressinet und die beiden verbleibenden Plätze gingen an relativ junge Spieler (Laurent-Paoli *2000 und Boyer *2004). Für mich insgesamt nachvollziehbare Entscheidungen, die dabei auch anders ausfallen konnten.

    Der französische Schachverband hat sich am 8.10. öffentlich geäußert https://www.echecs.asso.fr/Actu.aspx?Ref=15661 – nach eigener Aussage bewusst etwas spät und als Reaktion auf Aufregung in (sozialen) Medien. Als Nominierungskriterien nennt er „les performances sportives bien évidemment, mais également la cohésion du groupe, la combativité dans les moments décisifs ou encore la dynamique de performance à moyen terme.“ Sportliche Ergebnisse knapp zugunsten von Bacrot (wenn man das an der Elozahl festmacht), Teamgeist offenbar zu Ungunsten von Bacrot, Kampfgeist in entscheidenden Momenten womöglich auch zu Ungunsten von Bacrot, Entwicklung in letzter Zeit klar zu Ungunsten von Bacrot (seit Mitte 2024 ist er von 2680 auf 2630 abgestürzt).

    Für mich sind das alles legitime Kriterien, nicht unbedingt alles „transparent und sportlich objektiv“ sondern teils auch subjektiv und nicht quantifizierbar. Daraus eine Formel machen wäre schwierig, und dann würden wieder mathematische Details der Formel kritisiert? Aktuelle Elo ist ein Kriterium, aber eben nicht das einzige – nur bei Firouzja und MVL wäre es wohl, auch wenn man andere Dinge zu ihren Ungunsten einschätzen würde, jedenfalls „der Tiebreaker“.

    Nur zwei Dinge sind etwas Geschmackssache:
    1) Laut FFE hat Sebastien Maze das entschieden (natürlich nach Gesprächen, „ces décisions font l’objet d’échanges et de consultations avant d’être arrêtées.“). Laut Maze, jedenfalls so wie er von Bacrot zitiert wird, hätte er Bacrot nominiert aber es gab „Druck von oben“. Man kann das miteinander vereinbaren: Maze wurde anderweitig überzeugt, aber will es sich mit Bacrot nicht verderben.
    2) Ich betrachte das eigentlich als interne französische Angelegenheit, die man im Ausland zwar erwähnen kann aber man sollte sich eher nicht einmischen.

    Das alles schreibe ich auch als jemand, der auch mal Entscheidungen für Mannschaftskämpfe treffen muss (früher im Jugend-, nun auch im Erwachsenenbereich), nicht als „Diktator“ sondern in Abstimmung mit anderen. Geld spielt dabei aber keine Rolle.

    1. Dazu genügt es wohl zu sagen, dass in der deutschen Nationalmannschaft die ersten drei zwingend nach Elo aufzustellen sind! Die Elozahl ist für den Spieler ein geldwerter Vorteil, und muss vom Verband entsprechend anerkannt werden – es sei dann es gäbe ganz starke Gründe, die gegen eine Nominierung sprechen, zum Beispiel ein nachweisbares Fehlverhalten! Aber so wie es aussieht, war er gut beraten, sich einen Anwalt zu nehmen!

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