
Symbolbild DSB auf rauer See. Photo: KI ChatGPT
Wir richten in diesem Beitrag noch einmal den Blick zurück auf den Hauptausschuss des DSB in Hofgeismar, wo ein weitreichender Beschluss gefasst wurde, nachdem es Diskussionen über die Personalpolitik des Präsidiums gegeben hatte.
Zitat aus der Meldung auf der Homepage des Deutschen Schachbunds vom 4. Oktober 2025:
„Präsidentin Lauterbach betonte, der DSB müsse sich in Teilen neu aufstellen, um den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden – das habe sie bereits in der Vergangenheit mehrfach betont. Von Gleich strich hervor, dass ihm die Erfolge, die das Präsidium zu verzeichnen habe, bei der aktuellen Diskussion zu kurz kämen. Er war es auch, der sich ein Meinungsbild wünschte, im Prinzip sogar die Vertrauensfrage an die Versammlung stellte – was aber die Geschäftsordnung nicht zulässt, wie der Jurist und Versammlungsleiter Klaus Deventer betonte.“
„Und während ein Delegierter noch alle bat, doch zum Wohle des deutschen Schachs weniger zu streiten, kam es nach der Kaffeepause zu einer unerwarteten Eskalation: Fünf Landesverbände (Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Bayern, Thüringen) reichten einen Antrag für einen außerordentlichen Verbandstag ein – mit dem Ziel der Abwahl des Präsidiums und gleichzeitiger Neuwahlen. Hierzu wäre eine einfach Mehrheit ausreichend.“
Nach der Satzung des Deutschen Schachbundes (Stand: 12/2023) kann ein außerordentlicher Bundeskongress unter folgenden Voraussetzungen angesetzt werden (§ 17 Abs. 2 der Satzung):
Ein Bundeskongress muss einberufen werden, wenn dies (…) mindestens fünf Mitgliedsorganisationen spätestens sechs Monate vor dem nächsten vorgesehenen Kongress verlangen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Und weiter in der Satzung: Ein Bundeskongress auf Verlangen von Mitgliedsorganisationen ist binnen zwei Monaten einzuberufen und muss innerhalb von zwei Monaten nach der Einberufung stattfinden.
Somit ist jetzt bis zum 4. Dezember 2025 die Einberufung des außerordentlichen Kongresses mit Wahlen vorgeschrieben, und bis zum 4. Februar 2026 die Durchführung. Da diese Versammlungen üblicherweise an einem Samstag stattfinden, wäre der späteste Termin der 31. Januar 2026, also grob gesagt in gut 3 Monaten. Und vor Weihachten wird er sicher nicht mehr angesetzt werden, sodass man davon ausgehen kann, dass der Januar 2026 gesetzt ist.
Hier noch mal in Kürze die Gründe, die zur Unzufriedenheit der Delegierten und vor allem auch der direkt Betroffenen im Schachbund geführt haben:
- Die Kürzung der Kaderzuschüsse im Leistungssportbereich, die bis heute nicht zurückgenommen wurde (lediglich die wichtigen Zuschüsse zu den Europameisterschaften wurden wieder eingeführt).
- Die Kürzungen im Seniorenbereich, die letztlich dazu geführt haben, dass Seniorenreferent Wolfgang Block nicht mehr kandidierte und sein Nachfolger Cleve-Prinz sofort deren Erhöhung beantragte.
- Der Knatsch mit den Frauenreferat zum Thema „Zulassung von Transgenderpersonen im Frauenbereich“, wo sich das Präsidium gegen die deutliche Mehrheit der Frauenreferentinnen stellte, eine umstrittene Position, die allerdings auf dem Kongress durch Abstimmung bestätigt wurde.
- Das Ausscheiden von Vizepräsident Guido Springer im Streit mit der Präsidentin.
- Die etwas mysteriöse Kündigung der Geschäftsführerin Anja Gering, die zu großer Unruhe in der Geschäftsstelle in Berlin geführt hat, also nicht nur bei der Betroffenen selbst, sondern auch bei den restlichen Mitarbeitern, da die Kündigung wohl recht überraschend kam
- Der Gesamteindruck, dass wichtige Entscheidungen von oben vorgegeben werden, und die zuständigen Referate nicht (immer) gehört werden.
Die Vorgeschichte ist bekannt: auf dem Kongress in Paderborn hatte der Vorsitzende des Berliner Schachverbands, Paul Meyer-Dunker gegen die amtierende Präsidentin kandidiert, war aber in der Kampfabstimmung knapp unterlegen: Ingrid Lauterbach bekam 116 Stimmen, ihr Herausforderer Paul Meyer-Dunker nur 103. Schon damals brodelte es unter den Delegierten.
Von wem ging diesmal der Antrag zur Abhaltung eines außerordentlichen Kongresses maßgeblich aus? Von den „üblichen Verdächtigen“, also quasi den „Rebellen“ (dieser Begriff ist nicht abwertend gemeint) im DSB, eben Paul Meyer-Dunker, Ingo Thorn, dem Vorsitzenden des Bayerischen Schachbunds, und Michael Langer, dem Vorsitzenden des Niedersächsischen Schachbunds. Dazu stießen noch Brandenburg und Thüringen.
Wie wird es also nun voraussichtlich weitergehen? Das ist kompliziert! Zunächst muss man ja sehen, dass eine Vertrauensabstimmung über alle vier Präsidiumsmitglieder stattfindet, also neben der Präsidentin auch die Vizepräsidenten Finanzen, Sport und Verbandsentwicklung. Sollten diese vier entweder abgewählt werden, oder aus Solidarität zur Präsidentin nicht erneut zur Wahl zur Verfügung stehen, so müsste eine komplette Neubesetzung der vier wichtigsten Ämter im Deutschen Schachbund erfolgen. Aus Gründen der Kontinuität wäre dies nicht unbedingt wünschenswert!
Es kommt aber noch folgendes hinzu: Alle Ämter sind Ehrenämter, was in der Praxis nichts anderes bedeutet, als viel Arbeit für wenig Lohn. Als ehemaliger Referent für Leistungssport weiß man, wie das in der Praxis aussieht! Wer hat schon Lust, seine Wochenenden mit Schach auszufüllen, oder nach einem Arbeitstag noch an einer ein bis zweistündigen Online-Sitzung teilzunehmen? Dazu kommt noch die große Verantwortung: immerhin vertritt man fast 100.000 Mitglieder in 17 Landesverbänden. Die Finanzen müssen geordnet sein (was sie inzwischen dank von Gleich wohl sind), die Zusammenarbeit mit der Geschäftsstelle muss gut sein (was derzeit schwierig ist), die Landesverbände müssen zufrieden sein (was man nicht gerade behaupten kann), der laufende Spielbetrieb muss organisiert werden (was er ist). Dazu müssen 2026 und 2027 noch folgende Sonderaufgaben gestemmt werden:
- Die Ablösung der bisherigen DWZ-Verwaltung durch das System der Firma nu (hierfür gibt es ein Projektteam).
- Die Ausrichtung des Schachgipfels in Dresden Vom 16. bis 26 Juli 2026 (hier hat Präsidentin Lauterbach mit dem Bürgermeister von Dresden bereits den Vertrag unterschrieben).
- Die Feierlichkeiten zum 150. Jubiläumsjahr 2027 (der Schachbund wurde am 18. Juli 1877 in Leipzig gegründet).
- Die Leitung der DSAM (Deutsche Schachamateurmeisterschaften) muss in neue Hände gelegt werden, nach die bisherige Verantwortliche Sandra Schmidt als Geschäftsführerin zum österreichischen Schachbund gewechselt ist.
Nach unserer Einschätzung kumuliert all dies in der Arbeit des Präsidenten oder der Präsidentin. Hier laufen alle Fäden zusammen, hier werden alle wichtigen Entscheidungen getroffen, hier fällt der größte Zeitaufwand an. Mit anderen Worten: als Präsident ist man fast immer zum Wohle des Schachs unterwegs und in die Verantwortung eingebunden. Im Prinzip ist das fast eine Vollzeitstelle. Aus unserer Sicht ist daher unabdingbare Voraussetzung für den außerordentlichen Kongress, dass ein geeignete Gegenkandidat oder Gegenkandidatin für das Amt gefunden wird, der viel Engagement und Zeit mitbringt, ansonsten sollte man es lieber gleich bleiben lassen!
Ist eine Abstimmung über das jetzige Präsidium überhaupt sinnvoll, nachdem es in Paderborn erst am 31. Mai gewählt bzw. bestätigt wurde? Wir meinen ja, nachdem sich doch erhebliche Unzufriedenheit in den Landesverbänden und in den Referaten angestaut hat, die sich in der einen oder anderen Weise entladen muss. Wenn das Vertrauen in die Führung eines Verbands nicht da ist, dann wird es happig!
Die zweite Schiene, die parallel beobachten werden muss, ist die Entwicklung in der Geschäftsstelle. So wie es aussieht, wird man sich auf jeden Fall von der bisherigen Geschäftsführerin trennen, ggf mit Abfindung. Danach muss eine Neubesetzung für das wichtige Amt gefunden werden. Man hat aber auch schon gerüchteweise vernommen, dass es bei diesem Wechsel nicht bleiben könnte, sondern weitere Mitarbeiter auf dem Sprung sind. Käme es hier zu einem größeren Wechsel, dann wäre die Kontinuität der Arbeit in der Schachzentrale noch stärker beeinträchtigt. Was wäre zum Beispiel, wenn auch der Sportdirektor kündigen würde, der die zweitwichtigste Funktion in der Geschäftsstelle hat? Dann müsste auch dieses wichtige Amt neu besetzt werden.
Nebenbei gesagt, muss die Neubesetzung einer Position nicht immer von Nachteil sein, wie man an der Wachablösung durch Bundesfrauentrainer GM Efimenko gesehen hat, der die Nationalmannschaft der Frauen auf der Europameisterschaft in Batumi gleich zu einer Medaille geführt hat. Natürlich hat ein Neuanfang auch immer etwas Positives inne, wenn die richtige Besetzung gefunden wird, und wenn das Engagement passt. Ein hervorragendes Beispiel dafür ist aus unserer Sicht der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit Matthias Wolf, der sein Amt mit großem Engagement und großer Sachkenntnis ausübt.
Ja, es sind wahrlich unruhige Zeiten beim DSB, und wir hoffen, dass es am Ende gut ausgeht. Wir bleiben in jedem Fall gespannt, wie es sich weiter entwickelt.
Einen Gegenkandidaten gibt es vermutlich schon – „geeignet“ ist Ansichtssache, es wird wohl wieder Paul Meyer-Dunker. Neue Gründe müssen sie nennen, aber maßgeblich ist sicher die „bekannte Vorgeschichte“: das Ende Mai knapp unterlegene Lager will ein „Rematch“. Neu ist eigentlich nur, dass Gerald Hertneck nicht mehr voll hinter Ingrid Lauterbach steht?
Auch in der großen Politik kann es halbe (neuer Koalitionspartner) oder auch ganze Regierungswechsel geben, das ist Demokratie. Kritisch sehe ich dabei, dass ein knapp unterlegenes Lager sehr schnell Neuwahlen beantragen kann und dass die Schwelle mit 5 von 17 Landesverbänden recht niedrig ist (es könnten wohl auch fast nur kleine sein, z.B. Bremen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, einen bräuchten sie noch). Wiederholung ist denkbar und damit italienische Verhältnisse in der deutschen Schachpolitik.
Zu den genannten Punkten: Eine neue DSB-Führung hätte ja nicht plötzlich mehr Geld für Leistungssport und Senioren, da müsste an anderen Stellen gekürzt werden. Im „Knatsch mit dem Frauenreferat“ hat sich Paul Meyer-Dunker meines Wissens eindeutig positioniert. _Alle_ Landesverbände bei Laune halten geht wohl nicht, da sie unterschiedliche Interessen und Positionen haben.
Was hat Herr Meyer Dunker bisher als Referent für E-Sport bisher geleistet?
Es wäre schön wenn alle mal an einem Strick ziehen würden zum Wohl des Schachsports.
1. Wie man aus einem Beitrag, der einfach nur den Stand der Dinge neutral zusammenfasst, herauslesen kann, dass “ Gerald Hertneck nicht mehr voll hinter Ingrid Lauterbach steht“, verwundert mich schon etwas.
2. Zur Satzung: man hätte noch ein Mindestquorum an beantragenden Stimmrechten (die nach Anzahl der Mitglieder vergeben werden) hinzufügen können.
3. Zum Budget: du hast den Bericht vom Kongress anscheinend nicht gelesen, wo drinsteht, dass ein Überschuss von 300.000 Euro erzielt wurde – der gibt schon einigen Spielraum!
Ohne den Beitrag erstmal gelesen zu haben: Das mit dem „Herauslesen“ passiert sehr häufig in Blogs.
Ich habe den Beitrag nun nur überflogen, kann daher bestenfalls ein „Ach“ oder „U“ hervorbringen.
Schade, wo man doch GERADE zwei hervorragende Vertreter im Schach hat, Bluebaum und Keymer.