
Unsere erfolgreiche Frauenmannschaft: Photo: DSB
Mitte Oktober war es so weit: die deutsche Nationalmannschaft der Frauen gewann Bronze auf der Europameisterschaft in Batumi, Georgien. Es hätte sogar Silber sein können, wenn nicht die letzten Runde gegen Bulgarien verloren gegangen wäre. Im Bild stehen sie zusammen mit Bundestrainer GM Efimenko und dem Eröffnungstrainer GM Baklan.
Wir zitieren den ersten Absatz von der Meldung beim Deutschen Schachbund:
„Lange, sehr lange, mussten wir warten auf dieses Ereignis. Erst viermal gewannen die deutschen Frauen eine Medaille bei großen internationalen Mannschaftswettbewerben vor dieser Europameisterschaft. 1957, 1963 und 1966 holte die DDR Bronze bei der Schacholympiade der Frauen, 1978 gewann die BRD ebenfalls Bronze. Danach blieben die deutschen Frauen 47 Jahre lang ohne einen Platz auf dem Treppchen. Nun ist der Knoten geplatzt und Dinara Wagner, Hanna Marie Klek, Josefine Safarli, Lara Schulze und Kateryna Dolzhykova traten heute in Batumi die Nachfolge der Medaillengewinnerinnen von damals an. Und es ist die erste Medaille bei der seit 1992 zum sechzehnten Mal ausgetragenen Mannschafts-Europameisterschaft!“
Das hört sich wirklich rekordverdächtig an! Doch gehen wir der Sache tiefer auf den Grund: wer trug besonders zum Erfolg bei, und was mögen die Gründe für das gute Abschneiden sein?
Vorab ist zu bemerken, dass GM Elisabeth Pähtz wegen ihrer Schwangerschaft auf die Teilnahme verzichtet hat.

Also spielte IM Dinara Wagner am ersten Brett ein solides Turnier. Mit eine Elozahl von 2410 angetreten erzielte sie eine Performance von 2420 und hielt somit das wichtige Spitzenbrett. Aus alter Erfahrung kann man sagen: wenn es an Brett 1 nicht läuft, dann leidet darunter die ganze Mannschaft.
Die eigentliche Überraschung der Manschaft war WGM Hanna Maria Klek. Mit plus 3 (also 3 Siegen, Rest Remis), und einer Performance von 2466 war sie die überragende Spielerin der Mannschaft und trug maßgeblich zum erfolgreichen Gesamtergebnis bei. Wir gratulieren von Herzem! Vor allem an Brett 2, was keine geringe Leistung ist, denn dort warten harte Gegnerinnen!
WGM Josefine Safarli (ehemals Heinemann) spielte auch nicht übel, verdarb aber in der letzten Runde ihr gutes Einzelresultat mit einer Niederlage. Angetreten mit einer für sie sehr niedrigen Elozahl von 2276 (üblicherweise ist sie über 2300) kam sie auf eine Performance von 2344, und spielte damit über der Erwartung.
Diese drei Spielerinnen waren die Stütze der Mannschaft, denn sie spielten in 8 von 9 Runden. Nebenbei bemerkt, eine Spielerin wie Dinara kann nach Lage der Dinge nur in der ersten Runde aussetzen, wo es traditionell gegen eine schwächere Mannschaft geht, und muss dann durchspielen, denn sie ist nun mal das Zugpferd der Mannschaft. Und so war es früher auch bei Elisabeth.
Weiter in Text. FM Lara Schulze fiel dagegen etwas ab: gestartet mit Elo 2319 erzielte sie eine Performance von 2290 gegen einen Schnitt von 2240. Das ist noch im grünen Bereich, aber das schwächste Einzelresultat der Mannschaft. Hier hätte man noch einen Sieg mehr erwarten können.
WGM Kateryna Dolzhykova ist der jüngste Zugang in der Deutschen Nationalmannschaft. Auch sie spielte sehr erfolgreich, und erzielte eine Performance von 2426 bei einer Elozahl von 2300, also deutlich über ihrer Zahl. Diese Anstrengung wurde mit einer Goldmedaille am 5. Brett für das beste Einzelresultat belohnt.
Hier die Übersicht der erzielten Einzelmedaillen (deutsche Spielerinnen fett markiert):
- Board 1 (Women): 1.IM Mai Narva; 2.IM Stavroula Tsolakidou; 3.GM Alexandra Kosteniuk
- Board 2 (Women): 1.GM Anna Ushenina; 2.IM Sabrina Vega Guiterrez; 3.WGM Hanna Marie Klek
- Board 3 (Women): 1.IM Oliwia Kiolbasa; 2.IM Lela Javakhishvili; 3.IM Ann Matnadze Bujiashvili
- Board 4 (Women): 1.GM Bella Khotenashvili; 2.GM Natalia Zhukova; 3.IM Gulnar Mammadova
- Board 5 (Women): 1.WGM Kateryna Dolzhykova; 2.WFM Bozhena Piddubna; 3.WIM Silvia-Raluca Sgircea
Im zweiten Schritt gehen wir der Frage nach, was die Gründe für den Erfolg waren,
Bundestrainer Efimenko meinte dazu: die Spielerinen haben „ein super Niveau, eine super Qualität und Stabilität“ gezeigt.
Natürlich dürfte auch der neue junge Trainer Efimenko sehr motiviert gewesen sein, einen ersten Erfolg vorzuzeigen, und einen guten Eindruck bei den Spielerinnen hinterlassen haben.
Erwähnt werden muss auch noch, dass Russland nicht teilnehmen durfte, sie wären sicher eine starke Konkurrenz gewesen. Und dass bei den Ukrainerinnen die beiden Muzychuks nicht gespielt haben, aber die Ukraine wurde trotzdem einfach Zweiter!
Persönlich meinen wir, dass Dinara sehr wichtig für die Mannschaft ist, weil sie mit ihrer sympathischen und ausgeglichenen Art wohl der Ruhepol der Mannschaft war. Aber vor allem ist auch der Beitrag von Kateryna nicht zu unterschätzen! Denn als Ersatzspielerin hat sie zwei Partien gewonnen, und damit erfolgreich das vierte Brett verteidigt. Sie kam übrigens aus der Ukraine nach Deutschland und wechselte 2023 die Föderation.
Alles in allem sieht es so aus, als ob das Wort von der Krise des deutschen Frauenschachs, das noch im Frühjahr noch die Runde machte, im Nachhinein gesehen übertrieben war. Allerdings muss man schon auch sagen, dass Elisabeth wahrscheinlich in Zukunft nicht mehr so viel spielen wird, und damit eine Wachablösung zu Dinara stattgefunden hat.
Aber schauen wir uns doch zum Abschluss der Betrachtung die Rangliste der jüngeren deutschen Spielerinnen an, die für künftige Nationalmannschaften in Betracht kommen:

Nun, das sind nicht viele! 12 Spielerinnen über Elo 2200, wobei WIM Sonia Maria Bluhm nicht aktiv ist (überwiegend inaktiv seit 2019; sie ist tätig als Schachstreamerin) genau wie WGM Osmanodja Filiz (inaktiv seit 2020, sie arbeitet als Ärztin) und WGM Melanie Lubbe (inaktiv seit 2025; sie hat überraschend erklärt, eine Schachpause einzulegen). übrig bleiben also 9 plus Kateryna, die schon etwas älter ist.
Würde man das Kriterium anlegen, deutsche Spielerinnen über Elo 2300, ohne Einschränkung des Geburtsdatums, und dort aber ohne inaktive, dann sieht die Liste wie folgt aus:

Auch hier gibt es wieder Spielerinnen, die nicht zur Verfügung stehen, das ist WGM Marta Michna, die schon vor vielen Jahren nach Streitigkeiten erklärt hat, nicht mehr in der Nationalmannschaft zu spielen (was schade ist), sowie WGM Tatjana Melamed, die sich nur auf Training fokussiert, und IM Zoya Schleining ist schon über 60 jahre alt.
Also bleiben auch hier effektiv nur 6 von 9 Spielerinnen, wobei normalerweise Josefine Safarli auch in dieser Liste stünde. Und wie gesagt, wer weiß, wie viel Elisabeth nach der Entbindung noch spielen wird…
Was vor allem wichtig wäre, dass jüngere Spielerinnen von unten nachkommen, und das ist momentan hauptsächlich Charis Peglau, die erfolgreichste aus dem „Peglau-Clan“. Aber ihre bisher beste Elozahl war 2227, und das reicht eigentlich nicht für die Nationalmannschaft.
Insofern kann man diesen Beitrag vielleicht wie folgt abschließen:
- ja wir haben einen großen Erfolg auf der Europameisterschaft erzielt!
- beflügelt hat dabei wohl der neue Bundestrainer und das gute Mannschaftsklima
- jedoch kein Grund sich auf dem Erfolg auszuruhen, vielmehr muss der Fokus darauf liegen, dass sich die Nationalspielerinnen auf einem Elo-Niveau über 2300 stabilisieren und auch jüngere Spielerinnen nachgezogen werden!
Danke für diesen interessanten und sehr lesenswerten Artikel!
Zwei Spielerinnen sind leider nicht erwähnt, die unbedingt zum Umkreis der National-Mannschaft zu zählen sind: FM/WGM Jana Schneider und WGM Olga Babiy, die seit kurzem für den Deutschen Schachbund spielberechtigt ist. Beide hatten bereits eine ELO-Zahl von deutlich über 2.300.
IM Sarah Papp und WGM Melanie Lubbe hingegen haben ihre National-Mannschafts-Karriere wahrscheinlich bereits hinter sich – Melanie zieht sich langsam zurück und Sarah ist mit zwei kleinen Kindern wunderbar ausgelastet….
Jana Schneider ist in der ersten Liste enthalten, und steht dort auf Platz 4. Olga Babyi fiel interessanterweise aus beiden Listen raus, weil sie unter 2300 liegt und 1989 geboren statt ab 1990. Trotzdem danke für den Hinweis.
Aktivität ist dabei „nach FIDE-Kriterien“, eine Elo-gewertete Partie im Jahr reicht. Viel mehr ist es bei einigen der genannten Spielerinnen nicht, und dann z.T. Mannschaftskämpfe nicht auf höchstem Niveau (2. Frauen-Bundesliga und Oberliga). Wenn man ohne Pähtz planen muss, sind es wohl bis auf weiteres die fünf die nun spielten, eventuell wieder Jana Schneider, vielleicht noch Olga Babiy (die sich wieder etwas verbessern müsste und auch bei ihr gilt „schon etwas älter“). Charis Peglau hat bei der Jugend-WM gerade wieder 56 Elopunkte eingebüßt.
Bei den Männern, die am Ende Vierter wurden (wie vor zwei Jahren hat Serbien eine höhere Platzierung verhindert), sieht es nach einigen Kriterien nicht viel besser aus: wenn man 2600 als Untergrenze definiert sind es die sechs, die generell in Frage kommen (diesmal blieb Donchenko außen vor), weitere Reserven am ehesten Dennis Wagner und Niclas Huschenbeth. Wenn man ergänzend 2500 und noch relativ jung sagt, ist es auch eher überschaubar.
Zwei Dinge sind dabei generell besser: alle stabil über 2600 (einer über 2700) mit auch Einzelerfolgen (Keymer, Blübaum, mit Platz 2 bei der Einzel-EM auch Frederik Svane). Und mehr Nachwuchstalente – da muss man dabei noch abwarten, ob Leonardo Costa, Marius Deuer und/oder Christian Glöckler (die drei wohl am ehesten) letztlich (viel) mehr erreichen werden als Luis Engel oder Roven Vogel.