
Hinweis: das Titelbild ist KI-Generiert, und fängt die derzeitige Stimmung im Spitzenschach ein.
Das Ergebnis der Europameisterschaft der Frauen auf Rhodos ist aus deutscher Sicht leider alles andere als zufriedenstellend, ja man kann sogar von einem Tiefpunkt sprechen, wie aus folgender Aufstellung ersichtlich wird:
Große Eloverluste bei IM Dinara Wagner und bei WGM Josefine Heinemann! Und nur WGM Jana Schneider blickt auf ein einigermaßen gelungenes Turnier zurück.
Schachautor Thorsten Cmiel hat hierzu einen lesenswerten Beitrag verfasst, in dem er den Finger auf die Wunde legt. Hier ein Zitat: „Möglicherweise muss man die Spitzenförderung für Frauen im deutschen Schach neu denken. Es ist die Aufgabe von Funktionären und Delegierten die Weichen möglichst geschickt zu stellen und von einem Bundestrainer und dem Sportdirektor den Zug dann auf das richtige Gleis setzen zu lassen.“
Dazu kommt, dass unsere beiden Spitzenspielerinnen, die noch im letzten Jahr bei Elo 2450 standen, jetzt auf nur noch knapp über 2400 Elo abgerutscht sind, und demzufolge an Weltranglistenposition eingebüßt haben:
Bekanntlich hat ja auch Elisabeth Pähtz im Frauen Grand Prix zuletzt alles andere als erfolgreich gespielt, und zudem ihren Rückzug aus der Nationalmannschaft in Aussicht gestellt; außerdem möchte sie ein Sabbatical einlegen.
Befindet sich also das deutsche Frauenschach in einer veritablen Krise, so wie Cmiel seinen Artikel überschrieben hat?
Ja und nein. Immer noch stehen wir in der FIDE-Rangliste unter den Top 10, zum Beispiel auf gleicher Höhe mit Frankreich:
Und doch muss man sagen: es läuft momentan nicht gut, und hier muss man sich genauer mit den Ursachen beschäftigen, wie Cmiel richtig anmerkt. Und man vielleicht auch die Strategie der Förderung überdenken. Ich denke, es ist an der Zeit, jetzt wieder mehr auf den Nachwuchs, also die Förderung jüngerer Spielerinnen zu setzen.
Die besten deutschen Spielerinnen werden sich in einem Monat, also ab Mitte Mai in München bei der Deutschen Meisterschaft messen, und dort wird sicher auch Gelegenheit vorhanden sein, mit Ihnen direkt zu besprechen, wo wir bei der Förderung des Spitzenschachs am besten ansetzen können!
Nachtrag: Inzwischen ist zu dem Thema auch ein Beitrag auf der Homepage des Deutschen Schachbunds erschienen!
Hallo Herr Hertneck, ich hätte da eine Verständnisfrage. Frau Pähtz monierte auf X, dass der DSB keinen Betreuer für die Damen zur EM engagiert hat. Aus Gründen der „Waffengleichheit“ würde mich interessieren, ob denn die Herren bei der EM einen Betreuer hatten. Wenn dies der Fall war, liegt sie vermutlich richtig. Wenn das nicht der Fall war, stellt sich die Frage, warum die Herren dann trotzdem so erfolgreich waren. In der Folge wäre dann zu erörtern, was an Schachspielern*innen mit Elo 2300+ denn so besonders förderungswürdig sein soll. Vielleicht können Sie hierzu Stellung beziehen, da diese Thematik auch mit Blickpunkt auf ein Damenbrett in der BL durchaus von Allgemeininteresse ist.
Hallo Herr Kaeding, vielen Dank für Ihre Nachfrage. Im konkreten Fall weiß ich nicht, ob die Männer einen „Betreuer“ dabei hatten, ich werde aber nachfragen. Ich wehre mich allerdings gegen die Unterstellung, dass man nur gut Schach spielen kann, wenn man bei der EM einen (Eröffnungs-)Trainer dabei hat. Also bitteschön, das sind doch alle sehr erfahrene Spielerinnen, und das Eröffnungsrepertoire sollte sitzen! Dazu kommt noch, dass Dinara mit GM Wagner verheiratet ist und Josefine mit GM Safarli, beide 2600 Großmeister. Denken Sie, dass die nicht bei der Vorbereitung unterstützt haben?
Warum waren die Männer erfolgreich und die Frauen nicht? Das ist genau die entscheidende Frage. Wenn ich das nur wüsste! Es ist wohl immer noch eine Folge des von Bernd Vökler durchgeführten Prinzenprogramms, das zu einer unglaublichen Leistungsdichte von jungen und „hungrigen“ Spielern geführt hat.
Ihre letzte Frage verstehe ich nicht ganz. Sie müssen die Elozahl natürlich aus Frauensicht und nicht Männersicht betrachten. Mit Elo 2400 steht man als Frau etwa auf Platz 40 der Welt, wie ja aus dem Artikel hervorgeht. Und wenn eine Spielerin dann 2350 Elo hat (Josefine Heinemanns beste Zahl war 2369, Jana Schneiders beste Zahl 2353 und Fiona Sieber beste Zahl 2332), dann ist das schon ein sehr starkes Niveau.
Frau Polgar hat ja bewiesen, daß man als Frau auch in der Weltspitze mitspielen kann, bei entspr. Förderung sehr früh in der jeweiligen Lebenszeit.
Ich sah heute zusammen mit Leko ihren wohltuenden Kommentar auf Chess24.
Und wie ist hier der Bezug zum aktuellen Misserfolg der deutschen Spielerinnen zu sehen?
Hier noch ergänzend der Link auf das Interview von Josefine Heinemann mit dem „Neuen Deutschland“, geführt vor Beginn der EU-Meisterschaft, in dem sie auch über die hohen Kosten für die schachliche Ausbildung und über mangelnde Talente im deutschen Schach klagt: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190261.schach-grossmeisterin-heinemann-die-decke-an-talenten-ist-duenn.html
Zitat: Was ich reinspiele, deckt ungefähr meine Reisekosten, und den Rest verdiene ich mit anderen Dingen: durch Unterricht oder durch Youtube. Es gibt zwar auch ein paar gut dotierte Online-Turniere, aber da ist die Konkurrenz enorm, das Geld geht meistens an Leute, die eh schon gut verdienen.