
Thomas kenne und schätze ich schon sehr lange. Es ist super, dass so gute und begeisterungsfähige Trainer in München zu finden sind.
- Hallo Thomas, bitte stelle dich kurz vor!
Mein Name ist Thomas Beckers und ich bin 59 Jahre alt. Das Schachspiel erlernte ich von meinem Vater im Alter von 6 Jahren. Bei uns wurde öfters Schach gespielt. Mit 13 Jahren ging ich in den Schachverein. Seit fast 30 Jahren bin ich Schachtrainer, davon die letzten 10 Jahre im Hauptberuf.
- Wie kann man sich das Leben als Schachtrainer vorstellen?
Jeder Tag ist anders. Man ist viel unterwegs. Das eigene Spiel kommt zu kurz. Es gibt keinen „Freitag“ und keinen „Montag“ mehr. Der Fokus des Trainers richtet sich auf seine Spieler aus. Man fiebert mit, denkt schon an das nächste Turnier, es ist spannender als selbst zu spielen. Ständig kreisen die Gedanken, um die besten Trainingsmethoden für den jeweiligen Schüler oder die jeweilige Schülerin. Die Kreativität spielt eine große Rolle, weshalb ich mich auch als Künstler sehe.
- Der Schachboom nach Queens Gambit, ist er bei den Schachtrainern angekommen?
Nun, das war ja auch zeitgleich mit der Corona-Zeit. Man kann die beiden Effekte nicht so einfach trennen. Bei mir stand jedenfalls das Telefon nicht mehr still. Mein Schachverein wundert sich bis heute, warum ich nicht mehr zum regelmäßigen Spielen der Meisterschaften komme – aber ich würde einfach zu viele Kunden verlieren. Meine Kollegen in der Schachakademie haben ebenfalls genug zu tun.
- Du warst mal Trainer von Leonardo Costa, erzähle!
Ich hatte das Glück schon viele Talente trainieren zu dürfen, aber Leonardo sprengt natürlich den Rahmen. Eine Szene vergesse ich nie: Derzeit war ich dabei Leonardo das Matt mit Läufer und Springer beizubringen. Da fange ich üblicherweise an, wie man den König von der „falschen“ in die „richtige“ Ecke treibt. Beim nächsten Mal schauen wir uns an wie man den König vom Zentrum aus an den Rand treibt, sagte ich. Beim nächsten Training wollte Leonardo, dass ich die Figuren, irgendwo positioniere und er möchte mich dann komplett selbständig Matt setzen. Es gelang Ihm auf Anhieb und ich entdeckte, wie tiefgründig er bereits rechnen kann. Mir wurde die Verantwortung klar und ich besprach mit dem Vater, dass es wichtig sei, Leonardo bald von Großmeistern trainieren zu lassen. Ja! – Man muss als Trainer auch unbedingt loslassen können!
- Was machst Du als Lehrer, wenn der Schüler wenig Talent und ungenügende visuelle Fähigkeiten hat?
Ich prüfe zunächst die Motivation des Kindes oder auch ggf. des Erwachsenen. Dann beginnt je nach Ergebnis die Motivationsphase. Ziel ist es, eine intrinsische Motivation zu erreichen. Im nächsten Schritt ist das Ziel festzulegen. Die Ziele sind, ganz unterschiedlich von besser im Schach zu werden bis hin zu mehr Spaß am Schach zu bekommen oder ein verlässlicher Mannschaftsspieler zu werden. Von all diesen Voruntersuchungen hängt ab, welche Trainingsmethoden ich verwende oder auch mit der Schülerin oder dem Schüler bespreche. Zum Beispiel kann man eine gute Visualisierung nicht erlernen. Das wäre ungefähr so, wie wenn ich einem Läufer den Rat geben würde, 10km unter 27 Minuten zu laufen und der Schüler sagt, ach so! und läuft wie ein Weltmeister. So geht das nicht. Die Visualisierung muss trainiert und langsam aufgebaut werden. Es ist wie Schwimmen gegen den Strom, hört man auf, so fällt man zurück. Ja – und dafür braucht man Motivation!
- Wo siehst Du Deine Stärken als Lehrer des Schachs?
Das kann ich gar nicht so genau sagen. Ich fange mal bei dem an, was ist:
- Wenn ich halbwegs gut motivierte neue Schachschülerinnen oder Schachschüler bekomme, so bleiben sie meistens für viele Jahre. Das ist auch meines Erachtens der Hauptgrund, warum ich als Schachtrainer im Hauptberuf arbeiten kann.
- Wenn ich eine zum Beispiel zehnköpfige Gruppe trainiere, so ändert sich mein Unterricht, sobald jemand Neues dazukommt oder man Jemanden wegnimmt. Denn die Gruppe als Individuum betrachtet, hat sich für mich komplett geändert.
- Jahrzehntelange Trainingserfahrung und intensives Literaturstudium, ermöglichen mir meinen Schülern einen großen Wissensfundus anzubieten.
- Die nie aufgegebene Hoffnung für meine Schüler und mich, doch noch besser zu werden, bringt mich kontinuierlich zu neuen Trainingsmethoden.
- Das erklärt noch nicht ausreichend Deine Stärken. Wie kommt es zum Beispiel zu der langen Trainer-Schülerbindung und wie ist es möglich gezielt auf eine Gruppe einzugehen?
Egal ob ich Einzel- oder Gruppentraining habe, brauche ich eine möglichst umfassende Einschätzung, wie die Menschen „ticken“. Ich ermuntere immer Fragen zu stellen und reagiere auch entsprechend auf Fragen motivierend, wieder neue Fragen zu stellen. Es muss lebendig sein. Jedes Training ist ein Ereignis. Es braucht immer gezielte Trainingsunterlagen, aber es muss auch komplett aus vorhandenem Wissen heraus „freihändig“ gehen. Nur dann kann man kreativ sein und gezielt auf die Schülerinnen und Schüler eingehen.
- Ich bin ein großer Fan der Münchner Schachstiftung, was machst du da?
Ich bin in der Münchener Schachakademie GmbH, die mit der Schachstiftung zusammenarbeitet. Ich bringe Grundschulkindern das Schachspielen bei und auch Senioren. Wir Trainer gehen in die Grundschulenoft auch Brennpunktschulen, aber manchmal kommen die Kinder auch zu uns, nämlich in den Ferienkursen. Die Grundlage ist das Buch „Schachstrategien für Schule und Leben, Der Königsplan für Kinder“ von Stefan Kindermann und Veronika Exler. Ich gebe zusammen mit weiteren Kollegen Abendkurse für Fortgeschrittene und Anfänger in der Akademie. Diese laufen sehr gut, aber ist es der Queens-Gambit-Effekt? Schwer zu sagen… Ach ja, und ich frage gerne die bekannten Großmeister der Akademie, wenn ich mal mit meinem Latein am Ende bin. Hier fühle ich mich wohl.
- Wie überzeugen die Eltern ihre Kinder Schach zu lernen (sie haben Dein Interview gelesen oder haben Freunde, die vom Schach schwärmen), wenn sie selbst gar nicht spielen?
Es gibt Ferienkurse für Kinder, wo diese intensiv in einem Crash-Kurs Schach lernen, zusammen mit vielen anderen Kindern. Oft in Begleitung mit entsprechender Schachliteratur speziell für Kinder. Es werden frühzeitig kleine Turniere gespielt und schon bald fangen die Kinder Feuer und sind begeistert oder auch nicht, aber dann war es nur ein Ferienkurs oder die Kinder melden sich gleich für die nächste Stufe an. Wenn man im Internet danach sucht, so wird man für seinen jeweiligen Ort auch schnell fündig.
- Wie siehst du die Zukunft des Schachs?
Die Beantwortung dieser Frage fällt mir sehr schwer, da viele äußere Faktoren, die gar nichts mit Schach direkt zu tun haben, maßgeblich an der Entwicklung des Schachs beteiligt sind. Ich erlebe den bereits seit einigen Jahren andauernden Schachboom als etwas Nachhaltiges. Und wenn es weiterhin so viele Schachfanatiker wie beispielsweise mein Interviewer gibt, die sich ihr Leben lang für das Schach auf den unterschiedlichsten Ebenen einsetzen, bin ich guter Dinge!
Nun möchte ich Dir kurz folgende Geschichte für die letzte Frage vorlesen:
„Ein Freund hat mich gefragt: Warum investierst Du so viel Geld und Zeit, damit dein Sohn Schach lernen und spielen kann? Meine Antwort: Nun, ich habe ein Geständnis zu machen: Ich bezahle nicht, damit mein Sohn Schach spielt. Weißt du, warum ich bezahle? Ich zahle, damit mein Sohn lernen kann, diszipliniert zu sein. Ich zahle, damit mein Sohn seinen Verstand pflegen und so seine Kreativität entwickeln kann. Ich zahle, damit mein Sohn lernt, mit Enttäuschungen umzugehen, wenn er nicht bekommt, was er erwartet hat. Ich zahle, damit mein Sohn lernt, seine Ziele zu erreichen. Ich zahle, damit mein Kind versteht, dass es Stunden um Stunden harter Arbeit und Training kostet, eine Meisterschaft zu erreichen und dass der Erfolg nicht über Nacht geschieht. Ich zahle für die Chance, die mein Sohn hat, Freundschaften fürs Leben zu schließen. Ich bezahle dafür, dass mein Sohn Turniere spielt und nicht vor dem Fernseher, Tablet, elektronischen Spielen und mehr sitzt. Meine Bezahlung dient für alles, was dieser wunderschöne Sport ihm gibt: „Verantwortung, Demut, Freundschaft, Geduld, Respekt, Konzentrationsfähigkeit, usw.“ Ich könnte weitere Dinge aufzählen, aber um mich kurz zu fassen: Ich zahle nicht für Schach, sondern für die Chancen, die dieser Sport meinem Sohn bietet, für die Entwicklung von Attributen und Fähigkeiten, die ihm nützlich für sein Leben sein werden. Ich glaube, es ist meine beste Investition – es ist eine Universität des Lebens!“
- Was hältst du von dieser Geschichte?
Das Lesen dieser wunderschönen Geschichte, löst bei mir direkt starke Emotionen aus. Schließlich haben wir alle mal mit dem Spiel angefangen. Bei mir hat es tatsächlich ausgelöst, dass ich in jedem Fach um zwei Noten besser wurde und als ehemaliger Hauptschüler später an der Fachhochschule Elektrotechnik studiert habe, mit dem Abschluss als Diplomingenieur (FH). Den Beruf übte ich dann sogar noch fünfzehn Jahre lang aus, bevor ich mich vollständig dem Schachtraining widmete. Da ich die meisten Schachschüler jeden Alters fünf bis acht Jahre begleite, bekomme ich auch die jeweilige schulische, berufliche und persönliche Entwicklung mit, die mich nicht selten mit Stolz erfüllt.
Möge Schach noch viele neue Begeisterte finden!
Weitere Infos über Thomas findet ihr auf seiner absolut professionellen Homepage besser-im-schach.de
Lieber Thomas, ich habe den Artikel mit Begeisterung gelesen. Ich bin 😎Marcus‘ Mami; wir kennen uns. Auch ich habe einen neunjährigen Schüler, er heißt Olek, der in einer Schachgruppe ist und mit gerne spielt. Ich kann ihm nicht viel beibringen, denn er wird immer besser; wenigstens wird er sich eines Tages an mich erinnern. Thomas, ich bin im „Dreamer Room“ in einer Dichter- HP. Der Autor Ralph Bruse ist mein lieber Freund. 🔆👋Liebe herzliche Grüße , Christine 💕.