Ja, der DSB hat da einen richtig guten Riecher gehabt und am 1.8.2024 einen sehr guten Mann an Land gezogen. Damals sagte mir der Name Matthias Wolf nichts, Matthias Wer? dachte ich. Unter der Ägide Krause war die Homepage nicht attraktiv, mitterweile gibt es viele weitere Artikel, die auch unterschiedliches Aspekte des Schachs betrachten, diese unglaubliche Vielfalt ist ja einer unserer größten Stärken.
Im Sinne hervorragender Journalismus, Professionalisierung, Marketing.. tut sich sehr, sehr viel, aber vergesst nie: Rom wurde nicht an einem Tag erbaut.
Ich bin 57 Jahre alt, habe vier wunderbare Kinder und eine tolle Frau, die meine Familienmanagerin ist. In Sachen Journalismus bin ich ein Allrounder. Ich habe fast alles gemacht: Tausende Print-Artikel, weit über 1000 Filme von zwei bis 45 Minuten Länge – und Radiobeiträge. Sehr viel im investigativen Bereich. Dafür hat man mir mal den Deutschen Fernsehpreis überreicht, ein zweites Mal gehörte ich zu den drei Nominierten in der Kategorie beste Sportberichterstattung. Wichtiger als Preise ist mir aber, dass ich über den Job sehr viele interessante Menschen kennengelernt habe. Prominente und weniger prominente. Viele ihrer Geschichten haben mich beeindruckt.
Wie ist dein Bezug zum Schach? Wo spielst du, seit wann, wer brachte es dir bei?
Ich habe das Spiel spät entdeckt, mit 13 Jahren. Ein Nachbar war Vorsitzender vom Schachclub in meiner Heimatstadt, zeigte mir das Spiel – und bald schon wollte ich jeden Tag gegen ihn spielen. Ich bin dann auch rasch in den Verein eingetreten und seit über 40 Jahren Mitglied im Schachclub Dreiländereck in Weil am Rhein. Allerdings ist mein letztes Ligaspiel für den Verein über 30 Jahre her, mein letztes Turnier auch. Meine Erfolge halten sich leider auch in Grenzen. Ich war mal Vize-Vereinsmeister der Jugend und habe die Schulmannschaft beim Landeswettbewerb „Jugend trainiert für Olympia“ am ersten Brett ins Finale geführt – das wars. Ich bin trotzdem Mitglied im Schachclub geblieben, weil ich sage: Ohne den Verein wäre ich nicht im Journalismus gelandet – ich hätte also ohne Schach viel Aufregendes verpasst.
Wie kam das mit dem Schachsport und dem Journalismus?
Ich war Pressewart des Vereins, habe immer die Rundenberichte verfasst und bei der Lokalzeitung abgeben. Irgendwann hat mich der Redaktionsleiter gefragt, ob ich freier Mitarbeiter werden will. Seitdem ist Schreiben und Fotografieren mein Ding. Was den Schachsport angeht: Eine Zeitlang war ich richtig Schach-verrückt, habe mir von Verwandten aus der DDR Schachbücher vom Deutschen Sportverlag schicken lassen. Der Deal war: Schokolade und Kaffee im Tausch gegen Schachbücher. Ich habe die Eröffnungen richtig gepaukt. Heute spiele ich Schach tatsächlich nur noch für den Hausgebrauch. Wenn mein Sohn – er arbeitet im Marketingbereich bei einem Fußball-Bundesligisten – am Wochenende nach Hause kommt. Dann holen wir die kleine Kiste mit den Holzfiguren aus dem Regal, die ich mir als 17-Jähriger gekauft habe. Das weiß ich so genau, weil auf der Innenseite der mit einem aus der Schach-Zeitschrift ausgeschnittenen Springer beklebten Kiste steht: 1984.
Wie kamst du zum Deutschen Schachbund?
Das ist recht einfach: Ich habe Anfang 2024 das Gefühl gehabt, beruflich nochmal was Neues machen zu wollen. Die letzten 20 Jahre hatte ich eine eigene Fernsehproduktionsfirma mit sechs Angestellten. Wir haben im Lauf der Jahre für fast alle deutschen Sender produziert. Mein Lieblingsformat als Autor war Sport inside, bei dem ich der Autor mit den meisten Filmen bin – rund 200. Viele meiner hintergründigen Berichte landeten auch in der Sportschau. Als es dann um einen möglichen Jobwechsel ging, habe ich tatsächlich schon erste Gespräche im Fußballbereich geführt. Dann wurde ich mit der Nase drauf gestoßen, dass der Schachbund sucht – und das auch noch an meinem Wohnort. Das wirkte wie gemalt. Ich weiß noch, wie der Freund, der mich auf die DSB-Suche nach einem neuen Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (die ich ohne ihn nie registriert hätte) hinwies, dies noch mit einem Beckenbauer-Zitat getan hat: „Das wäre doch was für Dich. Du bist doch ein Klötzchenschieber.“ Der Übergang war dann so: Während ich noch meinen letzten Film produziert habe, startet ich beim DSB. Wie gesagt: Der Standort Berlin war schon ein entscheidender Faktor. Ich habe meine Wurzeln in Berlin, familiär und mit meinem Fußball-Umfeld. Ich bin Jugendtrainer und Schiedsrichter beim SC Siemensstadt. Ich war auch lange Funktionär.
Die Pressearbeit des DSB wird im Augenblick von allen gelobt. Was machst du anders, welche Änderungen hast du eingeführt?
Ich denke, ich habe vieles verändert. Manche im Umfeld habe ich auch schon häufiger mit meinem Tempo überfordert, was mir dann
Es wird immer professioneller, ich liebe es!
leidtut. Ich finde aber: Wenn im Schach was passiert, das für den DSB relevant ist – dann muss das schnell raus. Und trotz aller Geschwindigkeit sollte es eine gewisse Qualität haben. Jeder, der meine Berichte liest, wird feststellen: Wann immer es möglich ist, rede ich mit den Leuten, benutze nicht nur Sekundarquellen, versuche ihre Sichtweise einzubringen – und nicht nur trocken über sie und den Schachsport zu schreiben. Reine Ergebnisberichte mag ich gar nicht. Ich will den Schachsport erzählen anhand der Menschen, die dieses faszinierende Spiel so lieben. Ich habe größten Respekt vor den Spielerinnen und Spielern, die Schach so denken können wie ich es nie konnte. Irgendeine Synapse fehlt mir dafür vermutlich. Ich war auch immer fürchterlich schlecht in Mathematik. Wichtig war mir auch vor Dienstantritt, dass ich mich auch in andere Bereiche beim DSB einbringen kann. Ich halte den Kontakt zu Sponsoren und habe auch den Deal mit 11teamsports eingefädelt – im Fußballbereich gehört sowas dazu, warum nicht auch im Schach? Solchen Ideen steht man beim DSB auch offen gegenüber.
Man hat den Eindruck: Du hast Dich schnell eingearbeitet. War es so?
Ich bin mit sehr viel Demut an die Aufgabe beim Schachbund herangegangen, habe aber schnell gemerkt: Die Storys liegen quasi auf der Straße – man muss sie nur aufschreiben. Das tue ich. Also im Grunde mache ich nur meinen Job. Es gibt so viele tolle Menschen im Schachsport – allein was sich im Bereich der DSAM tummelt ist Wahnsinn. Ich habe großen Respekt vor dieser DSAM-Mannschaft, die ehrenamtlich acht Mal im Jahr ein Premiumprodukt des Schachbundes auf die Beine stellt. Und die Teilnehmer – faszinierend. Da schläft einer auf der Straße, wie ein Obdachloser, um sich die DSAM leisten zu können. Das ist wahre Liebe zu diesem Spiel und den Menschen, die es spielen.
Und wie erlebst Du den Spitzensport-Bereich?
Schade, dass wir es damit so selten auf die große Medienbühne schaffen – aber das habe ich als Journalist oft erlebt: Wenn ich mal abseits der ausgetretenen Pfade des Fußballs unterwegs war, dann war da eine ganz andere Vorfreude auf das Interview mit mir. Viele Sportarten bekommen nicht die mediale Aufmerksamkeit, die sie verdient hätten. Wir verschicken rasend schnell eine Pressemitteilung zum historischen EM-Erfolg von Matthias Blübaum – und kaum einer druckt die Meldung ab. Das tut mir auch für einen wie Blübaum leid, bei dem ich spüre, wie viel Energie er für seinen Sport gibt. Vielleicht ist das so eine Art Wechselwirkung: Wenig mediales Interesse sorgt dafür, dass wir oft das Gefühl haben, unsere Topspieler sind keine Medienprofis, müssten da eigentlich viel mehr tun. Das ist zweifellos so, aber Routine entwickelt man ja nur, wenn man etwas ständig macht. Mittlerweile weiß ich auch: Die Spieler haben bei einem Turnier keine Muße, sich großartig mit anderen Dingen als Schach zu beschäftigen – die sind im Tunnel, da hat man nicht den Blick dafür, dass draußen auch Schach-Fans sind, die informiert sein wollen. Und damit meine ich nicht nur Partie-Analysen – das ist Fach- und keine Medienarbeit. Ich muss aber auch sagen: Die Topspielerinnen beim DSB sind echte Medienprofis. Lara und Josefine würde ich dafür sogar zehn von zehn Punkten geben.
Aber du machst Deinen Job dennoch anders als deine Vorgänger, oder?
Grundsätzlich glaube ich, dass auch Arne Jachmann und Paul Meyer-Dunker schon vieles angestoßen haben, was ich noch ausgebaut habe. Ich denke da auch an den Bereich Video-Interviews. Da sind wir, denke ich, immer besser geworden. Wir haben in den letzten Monaten auch noch versucht, einige hübsche Kurzfilme zum Schachsport zu machen. Mit unseren bescheidenen Bordmitteln. Ich sage immer: Wir sind eierlegende Wollmilchsäue – das kann also nicht perfekt sein, wenn wir selbst fotografieren, schreiben, filmen und schneiden. Aber wir geben unser Bestes. Und mit wir meine ich auch meine Kollegen Frank Binding und Levian Raschke. Levian ist BFD-ler und zeigt einen famosen Einsatz für die Sache. Ich werde ihn vermissen, wenn er Ende September ins Studium geht.
Kannst du in deinem Alter social media? Ich habe Leute für die Schulschachstiftung, die das machen…
…ich muss das ja können. Oft genug ist Levian nicht da – dann poste ich. Ist auch kein Hexenwerk, wobei: Auch das kann man bestimmt noch besser machen. Auf dem Feld bin ich noch ein Lernender.
Mein Mentor war Franz Jittenmeier. Hast du ihn auch gekannt?
Leider nicht persönlich. Wir haben mehrfach telefoniert – und rasch festgestellt, dass wir beide Schalker sind. Ruckzuck ging es in dem Gespräch nur noch um die Königsblauen, bei denen ich seit 1987 Mitglied bin. Franz war ja sehr kritisch dem modernen Fußball gegenüber und auch enttäuscht von der Entwicklung beim S04. Das bin ich auch, schwelge lieber in den Erinnerungen, als ich als Fan alle Spiele auf dem Weg zum Uefa-Pokal-Sieg live vor Ort erlebt habe. Aber in meinem Umfeld wundern sich alle, dass letztlich meine Liebe zum Verein nicht totzukriegen ist. Egal wie sehr die Schalker abstürzen, ich trage morgens beim Joggen das Trikot noch voller Stolz – und die Fahne im Garten bleibt gehisst. Meine unerschütterliche Beharrlichkeit in Sachen Schalke – ich bin ja Südbadener – fand selbst der Ruhrpottler Franz Jittenmeier etwas befremdlich… Wir beide waren eigentlich so verblieben, dass wir uns mal treffen, wenn ich ohnehin auf Schalke bin – dazu kam es dann leider nicht mehr. Schön aber, dass Ihr mit dem Schachkicker nach seinem Tod seine Tradition als unermüdlicher Schach-Chronist fortführt.
Was sind deine Wünsche, deine Träume für die Pressearbeit des DSB?
Ich habe schon ein paar Wünsche, um die weiß das Präsidium auch. Manches wurde schon erhört, manches nicht. Fakt ist: Der Job macht mir großen Spaß, ich kann vieles selbst gestalten, verquicke Öffentlichkeitsarbeit und Journalismus. Aber, ohne aus dem Nähkästchen plaudern zu wollen: Die teilweise sehr festgefahrenen Strukturen im deutschen Schachsport sind für mich bisweilen noch sehr gewöhnungsbedürftig. Ich weiß auch gar nicht, ob ich mich dran gewöhnen will und kämpfe deshalb immer wieder dagegen an. Das ist manchmal nervig wie eine Zugwiederholung – aber vielleicht bröselt manche festgefahrene Stellung ja doch mal.
Nenn mal ein Beispiel.
Ich bin Gerechtigkeitsfanatiker, Schiedsrichter halt. Ich halte es nicht für richtig, dass die Preisgelder bei großen Turnieren, auch im Bereich des DSB, bei den Frauen geringer sind als bei den Männern. Argumentiert wird bisher mit Elo-Zahlen, ich sehe aber: Die Frauen sitzen bei so einem Turnier genauso lange am Brett, müssen sich auch auf jede Partie vorbereiten – kurzum: Der Job ist identisch, die Bezahlung aber nicht. Im Frauenfußball ist man in vielen Ländern da schon viel weiter. Klar ist der Frauenfußball zumeist nicht so athletisch wie der Männerfußball, er fasziniert nicht so viele Fans – aber trotzdem kriegen die Spielerinnen zum Beispiel in Norwegen bei großen Turnieren das gleiche Geld. Bei Grand-Slam-Turnieren im Tennis gibt es auch schon lange Equal Pay bei den Preisgeldern. Als Öffentlichkeitsarbeiter denke ich mir natürlich, wie gut es dem Image des Schachsports tun würde, wenn sich diese zeitgemäße Denke bei uns auch durchsetzen würde.
Ja – Matthias ist ein absoluter Glücksgriff!
Hoffentlich bleibt er uns noch lange erhalten…