
Ein kleines Jubiläum: Zum 25. Mal trafen sich Jonathan Carlstedt und Michael Busse zum „Schachtalk am Sonntag“. Diesmal mit einem Gast, der seit vielen Jahren fest zur deutschen Schachszene gehört: Großmeister Raj Tischbierek. Im Gespräch ging es um ganz unterschiedliche Themen – von der Bundesliga über neue Spielformen bis hin zu Tischbiereks persönlichem Werdegang.
Viele Rollen im Schach
Raj Tischbierek kennt das Spiel aus fast allen Perspektiven: als DDR-Meister und Großmeister, als Spieler in der Bundesliga, als langjähriger Chefredakteur der Zeitschrift SCHACH, als Trainer und heute auch als Autor für den Schachbund. Nach mehr als drei Jahrzehnten Redaktion hat er die Verantwortung weitergegeben – nicht, um sich zurückzuziehen, sondern um Zeit für andere Projekte zu gewinnen.
Bundesliga im Gespräch
Ein zentraler Punkt war die Entwicklung der Schachbundesliga.
Jonathan Carlstedt schlug vor, dass Spieler – ähnlich wie im Fußball – nur noch für einen Verein in einer Liga antreten dürften. Raj Tischbierek hielt das für schwer umsetzbar. Er sah eher Chancen darin, die Kader kleiner zu halten und die Zahl der Legionäre zu begrenzen. Beide waren sich aber einig, dass die Zuschauerbindung gelitten hat und Vereine wieder stärker mit bestimmten Gesichtern verbunden sein sollten.
Erfahrungen aus der Frauen-Bundesliga
Als Trainer der Frauenmannschaft des SC Kreuzberg berichtete Tischbierek aus der laufenden Saison. Die Spanne am ersten Doppelspieltag reichte von einer deutlichen Niederlage gegen Top-Team Baden-Baden bis hin zu einem Überraschungserfolg gegen die Rodewischer Schachmiezen. Für Tischbierek steht weniger der einzelne Spieltag im Vordergrund, sondern die Frage, wie man realistische Ziele setzt und die Spielerinnen Schritt für Schritt weiterbringt.
Klassisch und Freestyle
Ein weiterer Schwerpunkt war die Frage, wie sich klassisches Schach und neue Formate zueinander verhalten. Dass klassische Partien für die Tiefe und den sportlichen Wert unverzichtbar sind, stand außer Frage. Gleichzeitig wurde klar, dass Formate wie Freestyle- oder Esport-Events Menschen ansprechen, die mit Schach sonst kaum in Berührung kommen.
Tischbierek erinnerte an Botwinniks Befürchtung, dass Schach mit dem Ende der Hängepartien seinen Kern verlieren würde. Für ihn ist das ein Beispiel dafür, dass sich das Spiel immer wieder verändert hat, ohne dabei an Substanz einzubüßen.
Medien und Leserschaft
Auch die Rolle der Medien kam zur Sprache. Michael Busse erzählte von Leserumfragen der Zeitschrift SCHACH. Der harte Kern wünscht sich vor allem klassische Inhalte, doch ohne Geschichten drumherum erreichen solche Partien kaum ein größeres Publikum. Hier waren sich alle einig: Es braucht beides – sachliche Tiefe und eine Erzählweise, die auch Außenstehende abholt.
Erinnerungen und Ausblick
Neben den aktuellen Themen gab es auch Rückblicke: Siege gegen starke Gegner in früheren Bundesliga-Jahren, die Arbeit an Büchern, persönliche Pläne. Tischbierek machte deutlich, dass er zwar gerne an alte Erfolge denkt, aber lieber an dem gemessen wird, was er heute tut.
Fazit
Der 25. Schachtalk zeigte, wie vielschichtig die Diskussionen im Schach sein können – zwischen Ligaalltag, neuen Spielformen, Medienfragen und persönlichen Perspektiven. Wer die ganze Unterhaltung hören möchte, findet sie als Podcast und auf YouTube. Der Schachtalk findet jeden Sonntag um 20:15 Uhr live auf dem YouTube-Kanal der Chess Tigers statt. Am 29. September ist der Berliner FM Dirk Paulsen zu Gast.
Es ist immer wieder eine Freunde, zuzuhören, wenn Raj spricht, denn er ist natürlich ein Experte ersten Ranges!