
Dieser Beitrag ist „spontan“, eher kurz (jedenfalls für meine Verhältnisse) und vor allem aber nicht nur durch die deutsche Brille. Was bereits feststeht: das Glas der deutschen Damen ist auf jeden Fall voll – Bronze ist fast gesichert (und wäre ja schon ein toller Erfolg), schlimmstenfalls wird es Platz 4. Ob das Glas der deutschen Herren nach Turnierende doch noch halb voll bzw. nur halb leer ist entscheidet sich dagegen morgen (Dienstag). Etwas im Telegrammstil:
Runde 7 und 8 der deutschen Damen
Ich beginne mal mit ihnen: zweimal 3-1, zweimal vielleicht in dieser Höhe glücklich aber sei’s drum. Jeder halbe Brettpunkt beeinflusst übrigens auch den Tiebreaker. Und die Wahrscheinlichkeit, dass Tiebreaks über einige Medaillen entscheiden, ist relativ hoch. Das gilt nicht nur für Deutschland und in beiden Wettbewerben.
Doppelte Fragezeichen sind im weiteren das strenge Urteil von Engines.
Runde 7 Rumänien-Deutschland 1-3
Hanna Marie Klek stand an Brett 2 gegen Mihaela Sandu früh besser und gewann dann glatt und spektakulär. Am Ende kein Matt sondern „nur“ ein „Damen-Scheinopfer“ – relativ bekanntes Motiv auf eher ungewöhnlichen Feldern. Ich könnte hier doch ein Diagramm einbauen aber verzichte darauf – Zeitnot für mich, schon fortgeschrittener Abend und morgen muss ich ja wieder arbeiten. Relativ unspektakuläre Remisen an den beiden hinteren Brettern.
Bleibt noch das Spitzenbrett Bulmaga-Wagner 1-0 1/2 0-1. Das erste Ergebnis bezieht sich auf die Phase vor der Zeitkontrolle: nach 34.-Dc2?? (Panikzug mit noch drei Sekunden auf der Uhr) stand Dinara Wagner einige Züge lang verloren. Aber trotz ihrer noch relativ komfortablen Bedenkzeit konnte Bulmaga den Sack nicht zumachen, und danach ein Remisendspiel. Das wollte Bulmaga wohl unbedingt gewinnen, um noch ein Mannschaftsremis zu erreichen. Es funktionierte nicht, stattdessen verlor sie noch – der „zweite Verlustversuch“ war erfolgreich.
Runde 8 Deutschland-Griechenland 3-1
Dinara Wagner verlor am Spitzenbrett, aber das wurde durch zwei glatte Siege von Josefine Safarli und Lara Schulze überkompensiert. Diesmal waren bei Hanna Marie Klek drei Ergebnisse möglich, und es wurde das aus deutscher Sicht beste. Alles innerhalb weniger Züge vor der Zeitkontrolle. Sie hatte Schwarz und alle drei Züge passierte etwas, wodurch sich die Bewertung der Stellung änderte: 34.-g6?? – warum diese freiwillige Schwächung der Königsstellung? Zunächst wurde es bestraft, und dann 37.Dg4?? – war das ein mouse slip am Brett? 37.Dh4 gewann glatt. Und danach im Kontrollzug mit noch 1 1/2 Minuten auf der Uhr 40.Dxg5??. Das gewinnt in fast allen Varianten, aber die einzige Verteidigung gegen weißen Mattangriff überzeugte: 40.-Dh3 Schach und Matt! Das spielte Klek auch im Blitztempo, statt die Gegnerin (die es zwischenzeitlich vielleicht gesehen hatte) etwa drei Minuten auf die Folter zu spannen.
Aus weißer Sicht war 40.gxf7+ und nach der Zeitkontrolle weitersehen natürlich besser – aus Engine-Sicht dabei auch der einzige Remiszug und mehr war nicht mehr drin.
Runde 7 und 8 der deutschen Herren
Nur einmal 3-1 und insgesamt nur (oder immerhin) 3-1 Mannschaftspunkte. Auch sie hatten zwei Balkan-Gegner:
Runde 7 Deutschland-Kroatien 3-1
Da musste man bei den Paarungen noch etwas nach unten scrollen. „Ausgerechnet Blübaum“ brachte das deutsche Team recht früh auf die Siegerstraße – ebenfalls mit taktischen Motiven wobei es am Ende nur ein schnöder Figurengewinn war. Wie man gewinnt ist dabei ja egal. Auch hier fallen die Remisen von Svane und Svane eher unter die Kategorie „hiermit erwähnt“. 3-1 wurde es, da auch Vincent Keymer gewann – in seinem Fall ohne Umwege bzw. gegen Ivan Saric waren nur zwei Ergebnisse denkbar.
Runde 8 Serbien-Deutschland 2-2
Am Ende trennten sich Europameister und Vizemeister unentschieden. Gemeint sind die Teams, individuell konnte es diese Paarung nicht geben – Matthias Blübaum und Frederik Svane spielen ja in derselben Mannschaft. Keymer „musste gegen Predke nicht unbedingt gewinnen“ aber er gewann. Hier gab es einen kollektiven Doppelfehler kurz vor und direkt nach der Zeitkontrolle: 40.Td2?? von Predke war ebenso suboptimal wie dann 41.-Dxc2?? von Keymer. Danach im Endspiel weitere Ungenauigkeiten des russischen Serben, im Turnier insgesamt nicht gut drauf.
Rasmus Svane musste ein fast direkt aus der Eröffnung entstandenes Endspiel gegen Sarana nicht verlieren, aber er hat es verloren. Die Remisen von Blübaum und Frederik Svane wieder eher aus der Kategorie „hiermit erwähnt“.
Schlussrunde der Herren mit diesen Paarungen
Aserbaidschan (13) – Serbien (11)
Ukraine (13) – England (11)
Deutschland (10) – Niederlande (11)
Ungarn (10) – Spanien (10)
Italien (10) – Rumänien (10)
Georgien 2 (10) – Armenien (9)
So viele Paarungen muss ich erwähnen, da bis auf Armenien alle genannten Teams noch gewisse Chancen auf eine Medaille haben – Teams mit derzeit 10-6 Mannschaftspunkten natürlich nur noch auf Bronze. Gold ist nach Ukraine-Aserbaidschan 1,5-2,5 wieder offen – natürlich treffen sie nicht nochmals aufeinander sondern werden vielleicht auch beobachten, was der Konkurrent am Nachbartisch macht. Tiebreak ist derzeit instabil zugunsten von Ukraine (168) vor Aserbaidschan (167). Noch besser sind da nur die Niederlande (178,5) aber sie haben eben zwei Mannschaftspunkte weniger. Denkbar ist auch bis zu fünf Teams mit am Ende 13-5 Mannschaftspunkten, dann wird es eine totale Tiebreak-Lotterie.
Fünf Teams wäre mit dem aus deutscher Sicht falschen Ergebnis an Tisch 3. Persönlich habe ich bei der Paarung Deutschland-Niederlande gemischte Gefühle, dabei ja auch der Erste gegen den Zweiten der Setzliste (in diversen Szenarien Bronze für den Sieger). Ich sage mal „möge der bessere gewinnen, meinetwegen auch der glücklichere“. Hauptsache kein 2-2, dann verpassen womöglich beide eine Medaille. Für die Niederlande könnte auch das für Bronze reichen, wenn Serbien und England beide verlieren – ihr Tiebreak-Vorsprung auf die Teams an den Tischen dahinter ist relativ komfortabel.
Schlussrunde der Damen mit diesen Paarungen
Polen (14) – Aserbaidschan (10)
Armenien (11) – Ukraine (13)
Deutschland (13) – Bulgarien (10)
Georgien 1 (10) – Spanien (10)
An Tisch 4 geht es nur noch um Blech (Platz 4), aber den Ersten der Setzliste erwähne ich auch hier. Aus deutscher Sicht: Bronze haben sie bereits ziemlich sicher, auch wenn sie gegen Bulgarien (doch noch ein nominell stärkerer Gegner) verlieren sollten – nur Armenien könnte auch noch Bronze bekommen, aber das ist eher theoretisch. Es kann auch Silber werden oder gar Gold. Aus ukrainischer Sicht: umgekehrtes Szenario wie bei den Herren, die Ukrainerinnen besiegten in Runde 7 Polen was so noch nicht durch ist. Aus polnischer Sicht: Sie dürfen nun nicht nochmal stolpern, und Aserbaidschan ist durchaus ein starker Gegner.
Nebenschauplätze
Für (Ladies first) Klek, Safarli, Keymer und Frederik Svane geht es auch noch um Brettpreise. Dolzhykova hat Gold an Brett 5 bereits nahezu sicher, pausiert sie in der letzten Runde um das nicht mehr zu gefährden? Für Keymer geht es auch noch um Platz 5 in der Weltrangliste, dafür bräuchte er einen Weißsieg gegen Giri.
Die Brettpaarungen
sind ja bereits bekannt, da die letzte Runde einige Stunden früher beginnt. Aus deutscher Sicht:
Bei den Herren Keymer-Giri, Jorden van Foreest-Rasmus Svane, Blübaum-van Wely. l’Ami-Frederik Svane.
Bei den Frauen Wagner-Stefanova, Krasteva-Klek, Safarli-Toncheva, Radeva-Schulze [die Bulgarinnen schon seit Runde 7 direkt nach dem Ruhetag ohne Nurgyul Salimova, damit gegen Deutschland auch ohne Elo-Vorteil, wäre sonst an Brett 2 der Fall]