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Am 28. August 2025 hat die FIDE Ethics and Disciplinary Commission (Appeal Chamber) ein weitreichendes Urteil gefällt: Der ukrainische Spitzenspieler Kirill Shevchenko, der seit 2023 für Rumänien antritt, verliert seinen Großmeistertitel und bleibt für drei Jahre von allen FIDE-Turnieren ausgeschlossen.
Hintergrund
Der Fall geht zurück auf die spanische Mannschaftsmeisterschaft im Oktober 2024. Dort wurde in einer Toilette ein Mobiltelefon entdeckt, das nachweislich für den Zugriff auf Schachsoftware genutzt wurde. Schiedsrichter wurden aufmerksam, nachdem zunächst eine Reinigungskraft ein Telefon gefunden hatte. Shevchenko gestand später mehrfach, dass er das Gerät verwendete, um während einer Partie die Lichess-App zu öffnen.
Erstinstanzliche Entscheidung
Im März 2025 hatte die erste Kammer des Ethik-Tribunals Shevchenko eine dreijährige Sperre, davon ein Jahr auf Bewährung, ausgesprochen. Der GM-Titel blieb damals unangetastet.
Berufungen beider Seiten
- Shevchenko legte Berufung ein. Er sprach von „versuchtem“ Betrug, forderte eine Reduktion auf maximal zwölf Monate und eine Kostenübernahme seiner Anwaltsgebühren.
- Die FIDE Fair Play Commission hingegen forderte eine härtere Sanktion: die Aberkennung des Großmeistertitels, da Shevchenko als Top-100-Spieler eine besondere Verantwortung habe.
Die Entscheidung der Appeal Chamber
Die Berufungskammer stellte klar:
- Zwischen „versuchtem“ und „vollendetem“ Betrug bestehe kein Unterschied – überdies habe Shevchenko den vollendeten Betrug selbst zugegeben.
- Großmeister sind nicht nur Spitzenspieler, sondern auch Botschafter des Schachs („informal ambassadors of the game of chess“). Wer in dieser Rolle betrügt, beschädigt das Ansehen des Spiels besonders schwer.
- Frühere Fälle wie die von Gaioz Nigalidze (2015) und Igor Rausis (2019) dienten als Präzedenz: Beide verloren neben langen Sperren auch den GM-Titel.
Endgültige Sanktion
Folgende Entscheidung über Strafen hat die Berufungskammer nun getroffen:
- Es bleibt bei der weltweiten Sperre von drei Jahren (19.10.2024 bis 18.10.2026, das dritte Jahr bis zum 18.10.2027)
- Entzug des Großmeistertitels mit sofortiger Wirkung.
- Shevchenko darf während der Sperre nur privat als Trainer tätig sein, nicht aber bei FIDE- oder Kontinentalturnieren vor Ort agieren.
Die Entscheidung kann innerhalb von 21 Tagen beim Court of Arbitration for Sport (CAS) angefochten werden.
Also eine sogenannte Verböserung oder Verschlimmerung der Strafe in zweiter Instanz, denn nun hat er auch den wichtigen GM-Titel verloren! Rückblickend gesehen hätte er die erste Entscheidung besser akzeptiert. Man fragt sich nun auch: wenn er wieder spielen darf, und drei neue GM-Normen erzielt, dann wird er wohl erneut zum GM ernannt!? Dieser Fall zeigt wirklich eindringlich, dass die FIDE bei Cheating nicht mit sich spaßen lässt, und das völlig zu recht, denn Fairness ist die Basis des Sports!
Der Großmeistertitel wäre wohl ohnehin aberkannt worden, da die FIDE Fair Play Kommission ebenfalls Berufung eingelegt hatte und dies forderte – wie schon in erster Instanz, aber im März 2025 hatte die Ethics and Disciplinary Commission (in anderer Zusammenstellung) darauf verzichtet.
Die Sperre ist übrigens weiterhin zwei Jahre plus ein Jahr auf Bewährung („suspended“), d.h. er darf ab 19.10.2026 wieder spielen – bei einem weiteren Vorfall greift dann (unabhängig von einem erneuten Urteil) das dritte Jahr der Sperre bzw. was zu diesem Zeitpunkt davon übrig ist.
Ob drei „neue“ GM-Normen realistisch ist wird sich später zeigen. Bisherige Fälle:
– Nigalidze hat nach Ablauf seiner Sperre direkt fast 100 Elopunkte eingebüßt, damals war er 30 und hatte danach noch IM-Niveau (diesen Titel durfte er behalten), nun noch FM-Niveau.
– bei Sebastien Feller ging es während dem laufenden Verfahren (das endlos dauerte) etwas bergab, nach Ablauf der Sperre zunächst nicht und dann nur langsam. Ob er weitere GM-Normen erzielt hätte ist nicht klar, den GM-Titel durfte er 2012 behalten. Nun ist er offiziell inaktiv, zuletzt spielte er noch in der luxemburgischen Liga. Sein Fall wird kaum erwähnt, dabei ist er am ehesten vergleichbar mit Shevchenko: ebenfalls junger Spieler mit fast 2700 und Ambitionen, sich jenseits davon zu etablieren.
– Christoph Natsidis spielte nach Ablauf seiner Sperre weiterhin auf FM-Niveau.
Ob diese Strafe für Shevchenko angemessen oder unvermeidlich ist, oder doch zu hart für eine „Dummheit“, da bin ich mir selbst nicht sicher. Sein Ruf ist dabei wohl ohnehin ruiniert – langfristig bis bleibene, und das ist unabhängig vom GM-Titel.