
Mit Erstaunen nahmen wir einen Hinweis der Perlen vom Bodensee zur Kenntnis, wonach es möglich sei, dass zur Herbeiführung von Neuwahlen im Präsidium ein außerordentlicher Bundeskongress in 2025 angesetzt werden könnte.
Nach der Satzung des Deutschen Schachbundes (Stand: 12/2023) kann ein außerordentlicher Bundeskongress unter folgenden Voraussetzungen angesetzt werden (§ 17 Abs. 2 der Satzung):
Ein Bundeskongress muss einberufen werden, wenn dies
- das Präsidium durch Beschluss verlangt, oder
- der Hauptausschuss durch Beschluss verlangt, oder
- mindestens fünf Mitgliedsorganisationen dies spätestens sechs Monate vor dem nächsten vorgesehenen Kongress verlangen.
Ein Bundeskongress auf Verlangen von Mitgliedsorganisationen ist binnen zwei Monaten einzuberufen und muss innerhalb von zwei Monaten nach der Einberufung stattfinden.
Wie realistisch diese Aussicht ist, kann von unserer Seite nicht beurteilt werden, allerdings ist bei 17 Landesverbänden im DSB die Schwelle von 5 antragstellenden Mitgliedsorganisationen nicht sonderlich hoch.
Hintergrund der Meldung ist, dass hinter den Kulissen zunehmende Unzufriedenheit mit der Amtsführung der Präsidentin herrschen soll.
Wir meinen dazu folgendes: es ist skandalös und ein seltsames Demokratieverständnis, dass es bis heute keine offizielle Stellungnahme des Präsidiums gibt zum Offenen Brief der Frauenrefentinnen im DSB, beschlossen in Braunfels, der auch auf unsere Seite publiziert wurde, und drei bis vier Mal so viele Aufrufe hatte wie ein normaler Beitrag. Dieser Brief wurde übrigens erst nach dem Vorfall in Willingen und nach dem Kongress in Paderborn veröffentlicht. Frauenreferentin Nadja Jussupow wartet bis heute darauf, dass das Thema „Spielberechtigung von Transpersonen“ fair geregelt wird. Jedoch gewinnt man den Eindruck, dass das schwelende Thema im Präsidium bewusst verdrängt wird, statt sich mit den Beteiligten an einen Tisch zu setzen.
Schon vorher war bei den Senioren das selbe Muster zu erkennen: berechtigte Kritik des Referenten an der Finanzausstattung (das Seniorenbudget wurde fast auf null reduziert) wurde in der Weise beantwortet, dass die Kommunikation eingestellt wurde, so war es offiziell im Protokoll der Seniorenkommission nachzulesen.
Auch der Leistungssport und die Aktivensprecher waren nicht zufrieden, nachdem die Kaderzuschüsse ohne Rücksprache um 50% reduziert wurden; allerdings trug das Referat Leistungssport unter Referent GM Hertneck und Sportdirektor Kevin Högy die Kürzungen aus Solidarität mit der Budgetkonsolidierung mit.
Es ist richtig, dass das Präsidium nach der Satzung Beschlüsse von Kommissionen überstimmen darf, jedoch ist das kein guter Stil, und sollte die absolute Ausnahme bleiben. Die Arbeit des Deutschen Schachbunds ist auf Fachreferate aufgeteilt. Diese sind wiederum mit Fachleuten besetzt, und von den Verbänden gewählt. Wenn die Referenten berechtigte Bedenken beim Präsidium vortragen, dann wäre es Aufgabe des Präsidiums oder der Präsidentin, diese aufzugreifen, und zumindest zu versuchen, sie einvernehmlich zu lösen, selbst wenn man selbst anderer Meinung sein sollte. Politik nach Lauterbachscher Gutsherrenart kommt jedenfalls bei den Betroffenen nicht gut an!
Zur Demokratie: Man muss nicht mit der Amtsführung von Ehrenamtlichen zufrieden sein, auch wenn sie viel Zeit in ihr Amt stecken. Aber es sieht von außen doch sehr komisch aus, wenn man jemanden erst wiederwählt, um kurz darauf eine Abwahl zu fordern, wegen Punkten, die offenbar schon beim Kongress angesprochen wurden. Gewählt ist gewählt, bei aller Kritik.
Zum Geld: Der Kongress hat nun jahrelang nicht wahrhaben wollen, dass der frühere DSB-Geschäftsführer wohl doch kein Glücksfall war. Dann muss man auch mit der hinterlassenen Finanzmisere leben. Und das zweite ist das IT-Projekt. Bei der Ausschreibung hieß es noch, dass es 100.000 € kosten soll, einmalig. Mittlerweile sind wir bei über 150.000 € im Schnitt pro Jahr (über 750.000 € auf fünf Jahre). Das Geld fehlt natürlich anderswo, das ist doch logisch, oder?
Zur Regelung der Spielberechtigung: es gibt seit über 30 Jahren einen Status Quo, dass trans Frauen bei den Frauen mitspielen dürfen. Man kann das ändern. Vorgeschlagen wurde eine einjährige Sperre nach Geschlechtsänderung. Aber: Wie soll das praktisch funktionieren? Nicht abstrakt, wir wollen dies und das, sondern konkret, in Ordnungen gegossen. Wäre das nicht die Aufgabe der Frauenkommission, wenn man die bestehenden Regeln ändern will? Dann kann man einen konkreten Vorschlag diskutieren, vor allem auch vor dem rechtlichen Hintergrund.
Hallo Gustav, durch das neue Selbstbestimmungsgesetz hat sich eine grundlegend neue Situation ergeben, da man nun durch Erklärung vor dem Standesamt mit 3 Monaten Wartefrist sein soziales Geschlecht ändern kann. Damit droht nun eine Welle auf den organisierten Sport, und eben auch den Leistungssport zuzurollen. Und aus diesem Grunde hat der Gesetzgeber eine Öffnungsklausel beschlossen. Die Sportverbände müssen nur Gebrauch davon machen. Und wenn sie es nicht tun, dann ignorieren sie das Problem total! Und das wollen wir doch nicht.
Lieber Gerald, aber das sind doch keine Neuigkeiten. Das Gesetz wurde am 12. April 2024 beschlossen und ist seit 1. November 2024 gültig. Seitdem gab es zwei DSB-Kongresse und einen Hauptausschuss (drei aufwendige Treffen! und das in so kurzer Zeit), auf denen soweit ich mich erinnere kein entsprechender Antrag gestellt wurde. Und jetzt ist auf einmal alles ganz eilig und das Präsidium muss Stellung nehmen? Die Präsidentin hat doch Stellung genommen, halt mit anderer Aussage als die Frauenreferentin. Da müssen jetzt Anträge für den nächsten Kongress 2027 oder den nächsten Hauptausschuss 2025 geschrieben werden (geht auch auf dem Hauptausschuss, gell? Ich bin in Satzungsfragen nicht fit.) Soweit mir bekannt, kann eine Kommission keine Änderungen der Turnierordnung beschließen. Es ist aber eine der ureigensten Aufgaben der Frauenkommission oder der Frauenreferentin, konkrete Änderungsanträge zu formulieren und einzubringen. Nicht, wie du schreibst, auf eine Regelung zu warten. Dann wird über die neue Regelung diskutiert, Mehrheiten werden organisiert und final wird abgestimmt. Aktuell gilt eben die bestehende Regelung weiter. Das ist doch kein Skandal oder undemokratisch.
Lieber Gustav, hier täuschst du dich, denn wie auch im Artikel vermerkt, fand die Jugendmeisterschaft in Willingen NACH dem Kongress in Paderborn statt, und der offene Brief wurde wieder wiederum NACH Willingen geschrieben. Es ist richtig, dass das das Gesetz seit 1.12.2024 gültig ist (auch wieder so ein Unsinn, denn man hätte besser den Jahreswechsel vereinbart), und dann noch mit drei Monaten Wartefrist, also konnte der erste Fall dieser Art frühestens zum 01.03.2025 auftreten. Jedenfalls, als ich auf dem Kongress in Paderborn war (und mich dort vom DSB als Funktionär verabschiedete), war keine Rede davon, dass die erste „Eskalation“ unmittelbar bevorsteht. Es mag sein, dass die Präsidentin inoffiziell Stellung genommen hat (zum Beispiel im Interview mit Stefan Löffler), aber was mir fehlt, ist eine offizielle Stellungnahme zum Offenen Brief auf der Homepage des DSB, in der auch auf die ARGUMENTE eingegangen wird! Richtig ist deine Aussage, dass es nun Aufgabe der Frauenreferentin wäre, zum nächsten Hauptausschuss oder Kongress einen entsprechenden Antrag zu formulieren, und soweit mir bekannt ist, ist dies auch geplant. Undemokratisch ist aus meiner Sicht, wenn berechtigte Anliegen des Fachreferats, in dem Fall des Frauenreferats einfach überstimmt werden. Wie würdest du dich denn fühlen, wenn in einer so wchtigen Frage überhaupt keine Diskussion zugelassen wird? Noch einmal: wir reden hier vom Leistungssport und nicht vom Breitensport. Und im Leistungssport muss ein fairer Wettbewerb gewährleistet werden, das ist das A&O, sonst können wir die Jugendmeisterschaften und Nationalmannschaften gleich abschaffen. Hinzu kommt noch, dass unser oberster Verband, nämlich die FIDE, aus gutem Grunde eine automatische Spielberechtigung von Transpersonen ablehnt. Du hast geschrieben, dass die Altregelung seit 30 Jahren besteht und zu keinen größeren Problemen geführt hat. Das mag sein, aber nach alter Rechtslage war es eine große Hürde, den Geschlechtswechsel zu vollziehen, weil zwei psychologische Gutachten eingeholt werden mussten. Ich sehe übrigens auch ein, dass es einen gesellschaftlichen Wandel gibt, der dazu führt, dass das Thema freier gehandhabt wird. Aber, und das kann man nicht oft genug wiederholen, in sportlichen Wettbewerben, kann ein biologischer Mann nicht zum Frauenwettbewerb zugelassen werden, weil das völlig absurd ist, und alles auf den Kopf stellt, was wir bisher gewohnt waren!
Lieber Gerald, ja, die DJEM und die Frauenmannschafsmeisterschaft waren nach dem Kongress. Aber es gab schon vorher Diskussionen um das neue Gesetz, ich hatte auch schon mit Stefan Löffler darüber diskutiert in 2024 oder früher. Man bereitet sich doch auf so etwas vor, oder nicht?
Die Dreimonats-Frist begann am 1. August 2024, man konnte also direkt zum 01.11.2024 seinen Eintrag ändern, nicht erst zum 01.03.2025.
Ingrid Lauterbach hat sich am 24. Juni 2025 zu dem Thema positiv geäußert und die geltende Regelung betont, Nadja Jussupow darauf am 26. Juni 2025 mit einem offenen Brief reagiert. Warum wird denn jemand überstimmt, wenn man nicht öffentlich auf einen Brief reagiert? Die Präsidentin hat doch auch nur eine Stimme bei der Sache, wenn darüber auf einem Kongress oder Hauptausschuss beschlossen wird. Was die beiden untereinander besprochen haben oder nicht, kann ich von außen nicht beurteilen. Dass es sehr oft beim DSB an grundlegender Kommunikation hapert, weiß ich nach 25 Jahren Ehrenamt. Sieht man ja auch z. B. beim sehr teuren IT-Projekt. Die Präsidentin kann doch aber auch aktuell gar nicht eine abweichende Regelung treffen, oder liege ich da falsch? Selbst, wenn sie wollte?
Wie das zukünftig geregelt wird, darüber kann man diskutieren. Dafür kann man Anträge stellen. Man muss aber berücksichtigen, dass der Sport zwar eigene Regelungen treffen kann, aber diese müssen praktikabel und gesetzeskonform sein. Ich habe schon viele Vorschläge gelesen, die diese beiden Punkte missachten.
Wem das Thema wichtig ist, der bereitet halt direkt zum Start des Gesetzes Regelungen vor. Zeit genug (drei Versammlungen!) war ja. Wenn das nicht klappt, zeitlich, was ich gut nachvollziehen kann (hohe zeitliche Belastung durch das Ehrenamt), darf man sich aber nicht beklagen, dass es eben keine anderen Regeln als die bestehenden gibt. Dann gibt es halt im Herbst nach dem Hauptausschuss eine neue Regelung, wenn die Versammlung zustimmt. Das ist doch der Punkt.
Hallo Gustav, vielen Dank für deinen ergänzenden Kommentar, anscheinend habe ich mich bei den Fristen geirrt. Natürlich ist dir vollauf recht zu geben, dass man nicht bis zum letzten Moment wartet, bis der Präzedenzfall geschaffen ist, sondern man sollte schon vorausschauend darauf reagieren. Das Problem lautet aber, dass der Wille hierzu zu fehlen scheint. Ich kann mich nur nochmal wiederholen, dass auf dem Kongress in Paderborn am 31. Mai und 1. Juni in keinster Weise die Rede von dem Thema war, obwohl doch Willingen nur eine Woche später begann, und zwar vom 07. – 15.06.2025 ausgetragen wurde. Das heißt zu dem Zeitpunkt musste die fragliche Person bereits nominiert gewesen sein. Stattdessen wurde in Paderborn 1,45 Stunden (ich hab auf die Uhr gescheut) über Satzungsthemen und Formalismen diskutiert. Ich kann nur sagen, hätte ich zu dem Zeitpunkt (also am 31. Mai) gewusst, dass gegen meine grundlegende Überzeugung ein biologischer Mann zu einer Frauenmeisterschaft zugelassen wird, dann hätte ich mein Amt als Referent für Leistungssport ohne Überlegung (stattdessen habe ich mir ganz viele Gedanken dazu gemacht) zur Verfügung gestellt, weil ich nicht möchte, dass mein guter Name als Großmeister und ehemaliger Nationalspieler indirekt dafür steht, dass im Leistungsschach mit den Regeln der Fairness gebrochen wird. Auch wenn ich an der Zulassungsentscheidung nicht beteiligt war; ich weiß aber, dass Bernd Vökler und Jonathan Carlstedt, also zwei durchaus seriöse Schachspieler, die ich auch sehr schätze) zwei von drei Beteiligten waren, die für die Zulassung gestimmt haben. Wie gesagt, man muss auch einräumen, dass man manche gesellschaftlichen Entwicklungen anscheinend nicht aufhalten, zum Beispiel erschließt es sich mir bis heute nicht, dass rotgrün Cannabis teil-legalisiert hat. Aber bei dem Thema Sport war es ja gerade anders, denn dort wurde das Problem vom Gesetzgeber gesehen, und eine Ausnahmeregelung eingeführt, die – das muss man ganz klar festhalten – bisher wohl von einem Sportverband genutzt wird. Bei dem Thema ist leider auch ein aggressives Klientel vertreten, dass jede berechtigte Kritik unterdrückt und auch vor Diffamierungen nicht zurückschreckt. Oder anders formuliert: das Thema ist angstbesetzt. OK so viel für heute.