
„Ich habe nie aufgehört, Menschen zu fördern – meistens mit Erfolg.“
Geführt von Martin Kopf, 2. Vorsitzender der pädagogischen Initiative „Schach für Kids e.V.“
Martin Kopf: Lieber Ralf, zunächst einmal: Herzlichen Glückwunsch zum 66. Geburtstag! Wenn man auf so viele Jahre mit Leidenschaft und Engagement zurückblickt – im Ehrenamt, im Beruf und im Schach –, stellt sich die Frage: Überwiegt der Blick zurück oder der nach vorn?
Ralf Schreiber: Danke, lieber Martin. Ich schaue tatsächlich gerne zurück – nicht aus Nostalgie, sondern aus Dankbarkeit. Und ich schaue nach vorne, weil ich hoffe, noch viel umsetzten zu können. Rückblickend war mein Leben ein bunter Weg mit Höhen und Tiefen, Erfolgen, Rückschlägen, viel Lernen und sehr vielen Begegnungen.
Die Anfänge – mit fünf Jahren am Schachbrett
Martin Kopf: Deine persönliche Schachgeschichte beginnt ja sehr früh.
Ralf Schreiber: Ja, mein Vater hat mir mit fünf Jahren das Schachspiel beigebracht – das war der Anfang. Kurz danach wurde ich Mitglied im Schachverein Hattingen, also vor über 60 Jahren und seit über 55 Jahren übe ich ununterbrochen ein Ehrenamt aus, wobei das erste als Jugendsprecher eben im Schachverein Hattingen war.
Schach hat mich mein ganzes Leben begleitet. Durch das Schachspiel bin ich bereits mit jungen Jahren weit rumgekommen und habe dadurch viele andere Kulturen und deren Menschen kennenlernen dürfen.
Martin Kopf: Und dann kam deine Tochter Sarah und hat alles noch mal verändert?
Ralf Schreiber: Absolut. Sarah wollte mit zweieinhalb Jahren Schach lernen. Ich habe ihr das dann beigebracht – und war fasziniert von den Entwicklungsschüben, die sie durch das Spiel machte. Daraus entstand die Idee zu Schach für Kids – nicht, weil sie früh Schach spielen konnte, sondern weil ich sah, wie Schach ihre Entwicklung förderte.
Bildung und Wissenschaft
Martin Kopf: Du hast daraus nicht nur eine pädagogische Initiative gemacht, sondern auch einen Großversuch und eine wissenschaftliche Studie auf den Weg gebracht. Mit welchen Ergebnissen?
Ralf Schreiber: Richtig. Die Ergebnisse des Großversuchs mit über 3.000 Kindern war ausschlaggebend, hierüber wurde weltweit berichtet und die anschließende Studie „Schach im Kindergarten“ war sicherlich ein Meilenstein. Sie hat empirisch bestätigt, was wir in der Praxis gesehen haben: das Schach Kinder in ihrer Entwicklung stärkt – kognitiv, sozial, emotional.
Martin Kopf: Seitdem hast Du auch sehr viele Seminar für pädagogische Fachkräfte gehalten und sorgst dafür, dass diese dann möglichst kostenfrei spezielle Materialien erhalten, wie sind die entstanden?
Ralf Schreiber: Aus diesen 3 Jahren der Beobachtung ist klar geworden, was in den Einrichtungen benötigt wird. Gemeinsam mit großartigen Menschen haben wir dann entsprechende Drucksachen erstellt. Außerdem habe ich dann unter anderem das MemoSchach als Spiel und Chipschach als Lehrmittel entwickelt. Wichtig war mir immer: Schach soll Spaß machen und gleichzeitig pädagogisch wirksam sein – auch für Nicht-Schachspielerinnen und -spieler.
Martin Kopf: Was macht Schach aus Deiner Sicht zu einem so besonderen Instrument in der frühkindlichen Bildung?
Ralf Schreiber: Schach ist für mich mehr als ein Spiel – es ist ein pädagogisches Geschenk. Schach fördert Konzentration, logisches Denken, soziale Kompetenz, Geduld, Sprachentwicklung und vieles mehr – und das auf eine spielerische Art. Kinder lernen, Entscheidungen zu treffen, Fehler zu akzeptieren und aus ihnen zu lernen. Es ist ein universeller Lernraum mit sehr großer Wirkung. Außerdem kommen Begabungen bis hin zur Hochbegabung durch das Schachspiel zum Vorschein. Wenn diese nicht rechtzeitig erkannt werden, können sie auch nicht gefördert werden und verschwinden mit der Zeit.
Engagement auf vielen Bühnen
Martin Kopf: Du warst lange Breitensportreferent des „Deutschen Schachbundes“. Woran erinnerst Du dich?
Ralf Schreiber: Das war eine sehr intensive Zeit. Ich habe viele Projekte umgesetzt, unter anderem den „Deutschland-Cup“ bei der Schacholympiade in Dresden – damals mit über 850 Teilnehmerinnen und Teilnehmern die größte Breitensport-Schachveranstaltung Deutschlands. Bei der Schach-WM 2008 zwischen Kramnik und Anand in Bonn habe ich die offizielle DSB-Vertretung organisiert. Und über elf Jahre lang war ich im Organisationsteam der DSAM – davon 4 Jahre als verantwortlicher Referent und habe mich für eine Marketingstruktur eingesetzt. Maßnahmen wie etwa die DSAM-Ehrennadel gibt es heute noch. Auch hat das damalige Team für den Luxus gesorgt, dass diese Veranstaltung nicht mehr beworben werden musste, sie ist immer ausgebucht. Ich freue mich, dass das auch heute noch so ist.
Martin Kopf: Hast Du nicht auch andere „Zeichen gesetzt“?
Ralf Schreiber: Tatsächlich habe ich auch unzählige Logos entworfen, u. a. für den DSB. Das Logo für die Deutsche Familienmeisterschaft, für den Deutschland-Cup, Cup der Deutschen Einheit, auch der „rasende Springer“ für die DSAM-Schnellschach-Amateurmeisterschaft wurde von mir erstellt, sowie viele andere, dies immer unentgeltlich.
Musik, Kultur – und ein Parkhaus
Martin Kopf: Waren da nicht auch kulturelle Fußabdrücke in Gestalt von Events außerhalb der Schachgemeinde?
Ralf Schreiber: Ja, die größte Veranstaltung, die ich organisiert habe, war ein Musikfestival mit über 80.000 Besucherinnen und Besuchern. Aber mein Lieblingskonzert fand in Hattingen statt – eigentlich auf dem Untermarkt, aber wegen Starkregen haben wir es spontan ins Parkhaus verlegt. Das wurde später als „Parkdeck 7“ vertont. Der bayerische Musiker Rick Abao, dessen äußeres Erscheinungsbild viele überraschte – ein Schwarzer mit starkem bayerischem Dialekt, der das Lied „Ein Jäger aus Kurpfalz“ eine Stunde lang in 50 verschiedenen Musikstilen spielte. Es war verrückt – und bleibt mir ewig in Erinnerung.
Aber auch die persönlichen Gespräche mit Musikern wie Brian Adams, B.B. King, Rory Gallagher oder Ringo Star bleiben unvergessen.
Menschen fördern
Martin Kopf: Du hast beruflich wie ehrenamtlich viele Menschen begleitet.
Ralf Schreiber: Ja, das war mir immer wichtig – Menschen zu fördern, ihnen Wege zu öffnen. Ob im Beruf, im Schach oder in Projekten: Ich habe oft versucht, Talente zu erkennen und sie zu unterstützen. Natürlich wird man dabei auch enttäuscht – das gehört dazu. Und ich habe sicher nicht immer alles richtig gemacht. Aber ich habe es immer ehrlich gemeint und meine Fehler auch zugegeben, sonst wären sie vermutlich gar nicht erkannt worden. Manchmal bleibt selbst ehrliche Aufrichtigkeit unbeantwortet – doch ich halte sie dennoch für den einzig richtigen Weg.
Martin Kopf: Gab es da nicht auch „Promis“ auf deinem Weg?
Ralf Schreiber: Über die Jahre durfte ich viele Ministerinnen und Minister, Ministerpräsidenten und sogar Bundespräsidenten treffen. Und auch beruflich spannende Menschen – vom Start-up-Gründer bis hin zum damaligen Vorstandschef von General Electric USA, dem seinerzeit größten Unternehmen der Welt. Durch meine sechs erlernten Berufe – technisch wie kaufmännisch – und meine über 30-jährige Tätigkeit als Führungskraft habe ich alle gesellschaftlichen Schichten kennengelernt. Das hilft ungemein im positiven Umgang mit Menschen.
Schachkultur, Breite und Dankbarkeit
Martin Kopf: Was treibt dich heute an?
Ralf Schreiber: Sicherlich die lachenden Kindergesichter, wenn sie das Schachspiel erlernen, aber ich halte auch den Breitensport im Schach für essenziell – ohne Breite keine Spitze. Deshalb bin ich auch Mitglied in Organisationen wie der Emanuel Lasker Gesellschaft (Berlin) und der Chess Sports Association (Wien). Und ich wünsche mir, dass wir in der Schachwelt auch die kulturelle Dimension des Spiels wieder mehr betonen.
Martin Kopf: Du hast viele Ehrungen erhalten – welche war dir besonders wichtig?
Ralf Schreiber: Alle Auszeichnungen, insbesondere der „Bundesverdienstorden der Bundesrepublik Deutschland“ und der „Deutsche Schachpreis“ sind sehr wichtige Auszeichnungen. Die Ernennung zum „Schutzengel für Kinder“ durch den Ruhr-Bischof Dr. Overbeck – vor 350 pädagogischen Fachkräften – hat mich besonders berührt. Weil sie ausdrückt, worum es mir geht: Kinder stärken, sie ernst nehmen und fördern.
Martin Kopf: Ralf, du willst an deinem Geburtstag nicht nur feiern, sondern wieder etwas in Bewegung setzen – nämlich eine Petition. Worum geht es dabei?
Ralf Schreiber: Ja, das ist mir ein großes Anliegen. Ich möchte an diesem Tag eine Petition starten, mit dem Ziel, Schach als anerkannte Bildungsmaßnahme in Schulen zu etablieren. Die positiven Wirkungen sind längst wissenschaftlich nachgewiesen – durch die Studie „Schach im Kindergarten“, aber auch durch unsere 19-jährige Erfahrung in der Praxis. Es geht nicht um Schach als Leistungssport, sondern um ein pädagogisches Werkzeug, das Kindern beim Denken, Planen, Entscheiden und sozialen Miteinander hilft. Ich hoffe, dass viele Menschen dieses Anliegen unterstützen – denn es geht dabei um nichts weniger als die Bildung der nächsten Generation.
Martin Kopf: Zum Schluss: Was möchtest du denen sagen, die dich auf deinem Weg begleitet haben?
Ralf Schreiber: Ich danke allen, die mich positiv begleitet haben, die meine Ideen unterstützt und mit mir an etwas geglaubt haben, wozu auch Du gehörst, lieber Martin. Viele der schönsten Momente meines Lebens verdanke ich diesem Vertrauen. Und ich hoffe, dass ich auch ein Stück weit etwas zurückgeben konnte.
Martin Kopf: Lieber Ralf, danke für dieses offene Gespräch – und alles Gute zum Geburtstag.
Ralf Schreiber: Danke, Martin. Es war mir eine Freude.
Die Petition:
Schach als Bildungsmaßnahme in Schulen verankern!
Start heute am 6. April 2025, dem 66. Geburtstag von Ralf Schreiber.
Informationen über Schach für Kids e.V. sind hier zu finden – www.schach-fuer-kids.de
Die Petition können alle ab 16 Jahren mit ihrem Eintrag unter diesem Link unterstützen.