Das FIDE Grand Swiss 2025 nähert sich der Entscheidung – und für das deutsche Schach ist ein historischer Moment greifbar. Nach neun Runden liegen Matthias Blübaum und Vincent Keymer mit 6½ Punkten ganz vorne, gleichauf mit Anish Giri (Niederlande) und Alireza Firouzja (Frankreich). Beide Deutschen halten damit Kurs auf das Kandidatenturnier 2026. Besonders pikant: In der 10. Runde stehen sich Blübaum und Keymer direkt gegenüber.
Open (Herren)
Runde 9: Schlaglichter
Alireza Firouzja feierte im Spitzenspiel gegen Nihal Sarin einen wichtigen Sieg und schob sich damit in die erste Reihe der Anwärter. Matthias Blübaum erreichte als Schwarzer ein sicheres Remis gegen Nodirbek Abdusattorov und verteidigte damit die Tabellenführung.
Der große Auftritt gelang jedoch Vincent Keymer: In seiner Partie gegen Parham Maghsoodloo fand er mit 26…Tg5!! die von der Engine empfohlene Fortsetzung – ein hochpräziser Zug, der die weiße Dame nach 27.Lxg5 hxg5 in eine Falle lockt. Maghsoodloo musste abweichen, woraufhin Keymer die Partie souverän für sich entschied.

Auch Anish Giri punktete voll, er besiegte Jorden van Foreest im Duell der Niederländer. Zu den weiteren Ergebnissen zählen Remisen zwischen Hans Niemann und Abhimanyu Mishra, während Arjun Erigaisi gegen Samuel Sevian gewann. Siege gab es zudem für Maxime Vachier-Lagrave (gegen Yagiz Kaan Erdogmus), Yu Yangyi (gegen Marcandria Maurizzi) und Shakhriyar Mamedyarov (gegen Abhimanyu Puranik). Für Überraschungen sorgten Andy Woodward, der Levon Aronian schlug, sowie Aleksandra Goryachkina, die sich gegen Boris Gelfand durchsetzte.
Deutsche Akzente
Für die deutschen Spieler verlief die Runde ausgesprochen positiv. Neben Blübaums Remis und Keymers Sieg feierten auch Dmitrij Kollars (gegen Maxim Matlakov), Alexander Donchenko (gegen Pavel Eljanov) und Frederik Svane (gegen Jakhongir Vakhidov) volle Erfolge. Rasmus Svane steuerte ein Remis gegen Bogdan-Daniel Deac bei.
Stand nach Runde 9
Die Spitze bleibt eng: Elf Spieler liegen innerhalb eines halben Punkts. Hinter dem deutschen Duo und den Spitzenreitern Giri und Firouzja lauern Mishra, Erigaisi, Abdusattorov, Sarin, Niemann, Vachier-Lagrave und Yu Yangyi (alle 6 Punkte). Wer ins Kandidatenturnier will, muss in den letzten beiden Runden wohl mindestens noch 1½, eher 2 Punkte holen.
Auch in der Live-Weltrangliste sorgt das für Bewegung: Mit seinem Sieg schob sich Keymer auf Platz 7 vor – so hoch war er bislang noch nie gelistet. Für ihn selbst zählt aber sicher nur eines: der Einzug ins Kandidatenturnier.
Ausblick auf Runde 10
Die Vorschlussrunde bringt ein echtes Gipfeltreffen:
- Keymer – Blübaum: deutsches Duell um die Führung
- Firouzja – Giri: Verfolger-Direktvergleich
- Yu Yangyi – Erigaisi
- Nihal Sarin – Abdusattorov
- Mishra – Vachier-Lagrave
- Niemann – Praggnanandhaa
Weitere deutsche Paarungen: Donchenko – Aronian, Kollars – Dardha, Frederik Svane – Gumularz, Rasmus Svane – Madaminov, Dennis Wagner – Eljanov.
Frauen
Lagno bleibt vorn
Bei den Frauen verteidigte Kateryna Lagno ihre Führung. Im direkten Duell gegen Bibisara Assaubayeva reichte ein Remis, um mit 7/9 an der Spitze zu bleiben. Dahinter folgen Vaishali Rameshbabu, Assaubayeva, Tan Zhongyi und Song Yuxin (alle 6½). Siege feierten außerdem Mariya Muzychuk und Irina Krush, die nun bei 6 Punkten stehen.
Dinara Wagner
Die deutsche Vertreterin Dinara Wagner spielte remis gegen Polina Shuvalova und steht bei 5 Zählern. Sie spielt nicht mehr um die Qualifikationsplätze mit, kann aber mit weiteren Erfolgen ein solides Turnier abrunden.
Vorschau
- Tan Zhongyi – Lagno
- Song – Assaubayeva
- Vaishali – Mariya Muzychuk
- Wagner – Kosteniuk
Fazit
Das Grand Swiss 2025 verspricht eine dramatische Schlussphase. Für Deutschland steht besonders viel auf dem Spiel: Mit Blübaum und Keymer kämpfen gleich zwei Spieler um die begehrten Tickets zum Kandidatenturnier – und sie treffen nun direkt aufeinander. Schon ein deutscher Start wäre ein Triumph, eine Doppelqualifikation wäre ein historisches Ereignis für das deutsche Schach.
…unglaublich spannend, hier liegt deutsche Schachgeschichte in der Luft.
Drücken wir die Daumen für noch mehr deutschen Schacherfolg, was sicherlich den Schachboom in unserem Lande weiter beflügeln wird.
Wettquoten bei Oddspedia, Stand heute 8:45 Uhr:
* Keymer – Blübaum 2,40 1,65 13,00
* Fiouzja – Giri 3,80 1,40 8,00
* Niemann – Pragg 3,60 1,55 5,50
* Sarin – Abdussatarov 4,75 1,65 3,50
Die erste Zahl ist für den Fall eine Weiß-Sieges,
die zweite Zahl für den Fall eines Unentschiedens.
Also sollte man auf Schwarzsieg setzen, wenn man viel Geld verdienen will 🙂
Nur Zocker gieren nach dem großen Geld 😉
Wie sieht es eigentlich bei Punktgleichheit aus? Ich gehe davon aus, dass es dann ein Stechen um die zwei Plätze für das Kandidatenturnier gibt. Ja dachte ich, aber dann las ich in den Regeln nach:
4. 5. 3. Tie-Breaks
Wenn zwei oder mehr Spieler die gleiche Punktzahl haben, wird die Platzierung anhand der folgenden Kriterien in der Reihenfolge ihrer Priorität entschieden:
a) Durchschnittliche Wertung der Gegner Cut 1
b) Buchholz Cut 1;
c) Buchholz;
d) Direktes Aufeinandertreffen der Spieler mit gleicher Punktzahl;
e) Auslosung.
Wobei ich jetzt nicht weiß, was Cut1 bedeutet. Aber jedenfalls ist es die Wertung und kein Stichkampf.
Und was passiert, wenn sich einer schon über ein anderes Turnier qualifiziert hat?
4. 5. 2. Der Sieger und der Zweitplatzierte des Grand Swiss qualifizieren sich für das FIDE-Kandidatenturnier 2026. Sollte einer dieser Spieler zum 1. Januar 2025 FIDE-Weltmeister sein oder sich zum Zeitpunkt des Beginns des FIDE Grand Swiss-Turniers 2025 bereits für das FIDE-Kandidatenturnier 2026 qualifiziert haben oder zurücktreten, wird der Qualifikationsplatz in der Reihenfolge der Priorität an den Spieler vergeben, der
⁃ auf dem 3. Platz des FIDE Grand Swiss-Turniers 2025;
⁃ auf dem 2. Platz der FIDE Circuit 2024-Rangliste;
⁃ der nächste noch nicht qualifizierte Spieler der FIDE Circuit 2025-Rangliste.
Also kann sich theoretisch auch der Dritte qualifizieren!
Cut1 bedeutet, dass der schlechteste Gegner (niedrigste Elozahl bzw. bei Buchholz schlechtestes Ergebnis in diesem Turnier) außen vor bleibt, also bei 11 Runden zunächst Eloschnitt der 10 besten Gegner im Turnier. Dieser erste Tiebreaker gefällt mir übrigens nicht, unabhängig davon wer am Ende eventuell profitiert vor allem aus zwei Gründen:
– Der definitive Tiebreaker ist VOR der letzten Runde bekannt. Damit könnte dann ein Spieler wissen, dass ihm Remis reicht. Bei Buchholz (kann sich noch während/durch die letzte Runde ändern) wäre das nicht der Fall, oder nur bei klarem Vorsprung.
– Wenn es knapp wird profitiert der oder die nominell Schwächere vom direkten Vergleich, unabhängig von dessen Ergebnis. Wenn das Damenturnier bereits beendet wäre wäre genau das nun der Fall: auf dem geteilten zweiten Platz mit 6,5/9 zunächst Vaishali (Elo 2452, Gegnerinnenschnitt 2416) und Assabayeva (Elo 2505, Gegnerinnenschnitt 2414) – liegt am direkten Vergleich den Assaubayeva gewann.
Im offenen Turnier aktuell diese Tiebreak-Situation (Eloschnitt der momentan 8 besten Gegner): Bluebaum 2681, Firouzja 2678 [sehr knapp aber zwei qualifizieren sich am Ende], Keymer 2655, Giri 2649. Keymer und Giri haben weiterhin Nachholbedarf, beiden wäre wohl gestern ein Remis zwischen Nihal Sarin (Gegnerschnitt 2647) und Firouzja lieber gewesen. Bluebaums Gegnerschnitt wird sich, wenn er vorne dabei bleibt und garantiert 2700+ Gegner bekommt (nach Keymer noch einen) am meisten verbessern. Zwei Deutsche im Kandidatenturnier ist dabei wohl nur denkbar, wenn Keymer und Bluebaum heute Remis spielen (ein Verlierer würde zurückfallen), morgen gewinnen und andere Ergebnisse passend ausfallen – es gibt ja aktuell auch noch sieben Verfolger mit einem halben Punkt Rückstand, die auch noch in den Kampf um Platz eins oder zwei eingreifen könnten.
Stichkämpfe sind nicht vorgesehen. Es wäre ja auch ein Szenario denkbar, in dem 6-10 Spieler(innen) am Ende Platz 2 teilen.
Bisherige Grand Swiss Turniere:
2019 Wang Hao 8/11 (Gegnerschnitt 2735) vor Caruana 8/11 (Gegnerschnitt 2720) – nur einer qualifizierte sich und zwar der Chinese. Da Caruana als Verlierer des vorigen WM-Matches (bzw. zuvor Sieger des Kandidatenturniers) bereits qualifiziert war hätte sich Wang Hao auch im umgekehrten Szenario qualifiziert.
2021 Firouzja 8/11, Caruana und Oparin 7,5/11. Zwei qualifizierten sich für das Kandidatenturnier, Buchholz-Tiebreak zugunsten von Caruana (damals nicht gegnerischer Eloschnitt, da man Elozahlen während der Pandemie wohl als weniger aussagekräftig betrachtete).
2023 (wieder qualifizierten sich zwei) war Tiebreak am Ende irrelevant: Vidit (8,5/11) vor Nakamura (8/11) vor fünf Spielern mit 7,5/11. Das durch Ergebnisse der letzten Runde, nach Runde 10 waren drei Spieler punktgleich vorne. Der Tiebreak-beste Esipenko verlor dann, Vidit gewann, Nakamura spielte Remis.
Danke für die Erläuterung Thomas!
Es kann nur einen geben.
Leider treffen die beiden Deutschen schon in der vorletzten Runde aufeinander. Da wird ein taktisches Remis nicht reichen. Nur wer gewinnt hat eine realistische Chance.
Ich tippe auf Matthias Bluebaum. Er hat momentan die bessere Form. Vincent Keymer hat zwar Weiß, aber er legt die Eröffnung immer sehr zurückhaltend an.
Dieser Einschätzung kann ich mich gar nicht anschließen! Entweder gewinnt Vincent oder die Partie wird Remis.
So sagen es ja auch die Quoten. 😀
Die Frage wird sein, einer von beiden muss in’s Risiko gehen, sonst gehen beide leer aus.
Ein Remis wurde beiden nur etwas nutzen, wenn auch die anderen Remis spielen Das ist aber eher unwahrscheinlich.
Also wäre es „theoretisch “ am besten, einer von beiden „verzichtet“.
Inzwischen wissen wir ja, dass Vincent auf keinen Fall Remis wollte – mit dem Qualifikationsplatz vor Augen. Ich muss eines sagen: ich ziehe meinen Hut vor diesen beiden Helden, die einen unglaublichen Durchmarsch auf einem der stärksten und wichtigsten Turniere des Jahres hinter sich haben! Da freut sich ein alternder deutscher Großmeister!
Wettquoten bei Oddspedia für die letzte Runde,
Stand 15. September 10:50 Uhr
Giri – Niemann 4.25 1.50 5.00
Erigaisi – Keymer 3.30 1.60 5.75
Blübaum – Firouzja 8.00 1.35 4.25
Die Wetter scheinen im wesentlichen Unentschieden zu erwarten.