29.10.2025

5 thoughts on “Historisches liegt in der Luft!

  1. Zu Recht wird im Beitrag darauf hingewiesen, dass das Ergebnis von Gukesh unterirdisch ist – nachdem er aus den letzten 5 Partien nur einen mageren Punkt geholt hat. Offensichtlich kann jeder mal ein schlechtes Turnier haben, aber wenn er zufällig der Weltmeister ist, dann muss man sich tatsächlich fragen, ob der Modus zur Ermittlung des Weltmeisters noch zeitgemäß bzw. repräsentativ ist. Irgendwie hat man seit dem Rückzug von Carlsen den Eindruck, dass in einem WM-Match nicht mehr der wahre Weltmeister ermittelt wird (so wie damals schon nach der Spaltung der WM-Kämpfe). Wobei ich damit nicht die Diskussion aufwärmen möchte, ob es ein feiner Zug von Carlsen war, auf die Verteidigung des WM-Titels zu verzichten. Ja er hatte natürlich das Recht dazu, und die FIDE musste natürlich für Ersatz sorgen. Aber was dann folgte, war gelinde gesagt etwas peinlich. Erst wurde die Weltmeisterschaft zwischen Ding und Nepo im Stechen entschieden. Und dann verteidigte ein Weltmeister, der definitiv nicht auf der Höhe seiner Leistungsfähigkeit war, seinen Titel gegen einen jungen indischen Newcomer, den bis dahin keiner auf der Rechnung hatte. Dabei könnte jeder Schachfan mindestens drei Spieler aufzählen, die besser sind als der Weltmeister, nämlich Nakamura, Caruana und auch Pragg oder Erigaisi. Ja ich verstehe, dass das Recht des Herausforderers in einem Kandidatenturnier ermittelt wird, und dass Gukesh das Turnier 2024 gewonnen hat – wenn auch nur mit einem halben Punkt Vorsprung auf Caruana, Nakamura und Nepo. Siehe https://de.chessbase.com/post/gukesh-gewinnt-kandidatenturnier. Aber es war schon falsch, den Weltmeister 2023 im Stechen zu ermittteln, und wir wissen alle noch, wie Gukesh 2024 Weltmeister wurde, nämlich durch einen relativ simplen Fehler seines Gegners im Endspiel, ansonsten wäre auch dieser WM-Kampf durch Stechen entschieden worden. Nun hätte man über all diese Dinge noch hinweg sehen können, wenn die beiden FIDE-Weltmeister (Ding und Gukesh) im Anschluss starke Turnierleistungen gezeigt hätten, aber genau das Gegenteil war leider der Fall!
    Im Ergebnis dieser Überlegungen gelangen wir zu dem Schluss, dass der Weltmeister nicht nur nicht der stärkste Spieler der Welt ist (das ist eindeutig Carlsen), sondern nicht einmal einer der besten fünf Spieler der Welt! Aus meiner Sicht muss die FIDE irgendwie darauf reagieren, auch wenn ich selbst nicht genau weiß wie!

  2. Wie sollte man denn darauf reagieren? Vielleicht, indem man den Führenden in der Weltrangliste am Jahresende zum Weltmeister für das kommenden Kalenderjahr kürt? Die Weltspitze ist infolge der Sozialisierung des Schachwissens leistungsmäßig unheimlich eng zusammengerückt, anders als zu Zeiten von Fischer, Karpow oder Kasparow. Der „wahre“ Weltmeister ist der, der sich im aktuellen WM-Modus durchsetzt. Carlsen nachzutrauern, hilft niemand. „Simple“ Fehler wurden auch in anderen WM-Kämpfen begangen (man denke nur an den legendären „Doppelfehler“ in der 6. WM-Partie von 2014 Carlsen-Anand), und was gegen ein Stechen spricht, erschließt sich mir gleich gar nicht. War das frühere Reglement, bei 12:12 den amtierenden Weltmeister ohne Tie-break weiter regieren zu lassen, denn so viel besser?

    1. Es geht kurz gesagt darum, dass ein Weltmeister nicht nur zwei Jahre lang den Titel trägt, und dann schon wieder abgelöst wird. So wird der Titel des Weltmeisters verwässert!

      1. Noch steht nicht fest, dass Gukesh sein nächstes WM-Match verlieren wird. Im Januar in Wijk aan Zee war er noch (vor dem Blitz-Stichkampf) gleichwertig mit Pragg und klar besser als Caruana und Erigaisi (bei dem es nach einem schlechten Turnier auch hieß „wohl doch keine absolute Weltklasse“). Noch im Mai war Gukesh vor allem dadurch Nummer 3 der Weltrangliste, hinter den semi-inaktiven Carlsen und Nakamura.

        In welcher anderen Sportart ist es üblich und wird erwartet, dass jemand seinen WM-Titel jahrelang behält und mehrfach verteidigt? Soll man Gukesh nach einem schlechten Turnier den WM-Titel aberkennen? Wer wäre dann Weltmeister? Ding Liren wohl nicht, welcher der drei Spieler die im Kandidatenturnier knapp hinter Gukesh landeten? Oder etwa Carlsen (manche verlangen beinahe, dass er den Titel lebenslang behalten sollte ohne dass er ihn verteidigen muss) oder „vakant“??

        Entscheidung im Schnellschach in WM-Matches gab es „in meiner Zeit“ schon mehrfach: zurück in der Zeit Carlsen-Caruana, Carlsen-Karjakin, Anand-Gelfand und Kramnik-Topalov. Bei Anand-Topalov nur deshalb nicht, weil Topalov aus Angst vor Schnellschach in der letzten Partie mit klassischer Bedenkzeit schachlichen Selbstmord beging.

        Was wären die Alternativen? Zunächst weitere Partien mit klassischer Bedenkzeit? Privilegien für den amtierenden Weltmeister (bei Gleichstand behält er den Titel) – hoffnungslos veraltet!? Zwei Weltmeister haben wir zwar momentan im Blitzschach, aber das ginge im WM-Zyklus (vor allem) mit klassischer Bedenkzeit auch nicht – wie ginge es da danach dann weiter??

        1. Das ist tatsächlich das Problem, dass Stichkämpfe seit längerer Zeit üblich geworden sind, also wie geschrieben in Carlsen-Caruana (2018), Carlsen-Karjakin (2016), Anand-Gelfand (2012) und Kramnik-Topalov (2006). Eigentlich ist seit 2016 die Seuche verbreitet. Dies darf aber aus meiner Sicht nicht dazu führen, dass der Titel über Schnellpartien entschieden wird, denn das ist nicht dieselbe Disziplin. Und über Blitzpartien schon gar nicht! In dem Fall wäre es vielleicht wirklich das beste, festzulegen, dass der amtierende Weltmeister dann seinen Titel behält, so wie anno Botwinnik, denn schließlich hat der Herausforderer es nicht geschafft, ihn zu besiegen. Dass das einen psychologischen Vorteil für den Weltmeister bedeutet, ist klar. Was mich hauptsächlich stört, ist dass wir keine Weltmeister mehr vom Format Karpov, Kasparov, Kramnik und Carlsen haben.

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