
Symbolbild russischer Schachspieler. KI Grok
Wir alle erinnern uns: in den vergangenen Jahrzehnten dominierten erst die Sowjets, und ab 1992 die Russen das internationale Schach. Glanzvolle Namen wie Karpow, Kortschnoi, Kasparow, Kramnik, und „Nepo“ sprechen hier eine deutliche Sprache.
Doch was ist passiert? Die Russen sind fast unmerklich aus dem Spitzenschach verschwunden! Wann ist das passiert, und wie erklärt es sich?
Um die erste Frage zu beantworten, fokussieren wir uns auf die Top 10 der Welt. Es gab in der Geschichte des Nachkriegssschachs keinen Zeitpunkt, an dem nicht mindestens zwei Sowjets oder Russen in den Top 10 der Welt waren. Doch dann passierten zwei „Unglücke“. Im Jahr 2005 nach dem Turnier in Linares erklärte Garry Kasparow, der stärkste Spieler der Welt, seinen Rückzug vom Turnierschach. Zwar blieb er der Schachwelt weiterhin verbunden, wird aber seit 20 Jahren von der FIDE als inaktiv geführt. Und dann das nächste Unglück für das russische Schach: Im Januar 2019, nach dem Turnier in Wijk aan Zee, hatte Vladimir Kramnik seinen Rücktritt vom Turnierschach erklärt. Inzwischen ist er sehr umstritten durch seinen Feldzug gegen vermeintliche Cheater im Online-Schach.
Zum Glück gab es aber nach diesen Rückzügen noch drei russische Spieler, die noch in den Top Ten verblieben: Karjakin, Grischuk und „Nepo“. Doch auch sie fielen nach und nach aus der Liste der besten 10 Spieler der Welt heraus.
- GM Grischuk im Dezember 2021
- GM Karjakin im Juni 2023 und im Februar 2024
- GM Nepomniachtchi im Juli 2025
Kein einziger Russe, und nicht einmal ein ex-sowjetischer Spieler ist heute in den Top 10 zu finden. Nepo ist auf Rang 20 abgerutscht, und der nächstbeste Russe Andreikin liegt auf Platz 30.

Was sagt uns das? Russland hat seine Dominanz im Schach völlig verloren! Auch in der folgenden Grafik, diesmal mit etwas breiterer Basis (also nicht nur die Top 10), zeigt sich, dass Russland keine Rolle mehr im internationalen Spitzenschach spielt.
Und es zeigt sich sogleich, wo die Musik spielt: in Indien (Balken ganz links, keine Überraschung), in den USA (zweiter Balken, auch migrationsbedingt) und in China (dritter Balken, staatlich gefördert).

Das rote Quadrat steht natürlich für Nepo, der als einziger noch in der Weltspitze verblieben ist.
In einem dritten Ansatz betrachten wir die Historie der Weltmeister:

Hier hat die Wachablösung bereits im Jahr 2007 stattgefunden, als der Inder Anand dem Russen Kramnik den Titel abnahm. Und danach begann der glorreiche Aufstieg von Magnus Carlsen, der die Schachwelt bis heute dominiert.
Heute ist es undenkbar, dass ein Russe nochmals Schachweltmeister wird. Zuletzt denkbar war es im WM-Kampf von Ding gegen Nepo, der damit endete, dass Ding 2023 im Tiebreak gewann. Doch zwei Jahre später steht Nepo wie bereits gesagt auf Platz 20 der Weltrangliste, und es sieht nicht so aus, als ob er sich für das kommende Kandidatenturnier qualifiziert.
Nun kommen wir endlich zum zweiten Teil der Frage: woran liegt es, dass die Russen schachlich so abgestürzt sind?
Erstens natürlich am indischen Schachwunder. Noch nie waren so viele Inder in der Weltspitze wie heute! Zweitens an der Migration. Seit dem Ukrainekrieg sind viele Russen ins Ausland gezogen, und spielen jetzt für andere Föderationen. Nun gut, man kann sich fragen, ob sie dann keine Russen mehr sind. Aber der Einfachheit halber legen wir die aktuelle Föderation aus der FIDE-Rangliste zugrunde.
Was sind weitere Gründe? Wie gesagt, die stärksten Russen, nämlich die Ex-Weltmeister Kasparow und Kramnik haben sich (bedauerlicherweise) vom Turnierschach zurückgezogen.
Doch vielleicht muss man noch etwas tiefer graben: Schach hat in Russland wohl nicht mehr den Stellenwert, den es mal hatte, und wird weniger gefördert. Es gibt schon noch die russischen jungen Talente, aber inzwischen gibt es viele junge Talente auf der Welt. Und zwar weshalb? Wegen der Digitalisierung! Heutzutage kann jede talentierte Kind über das Online-Angebot in relativ kurzer Zeit riesige Fortschritte machen. Es gibt kein „Geheimwissen“ mehr, alle Information liegt offen da, und kann abgeholt werden.
Wir kommen somit zu folgendem Schluss: die russische Dominanz ist endgültig Geschichte. Spätestens im Jahr 2025 hat sie sich völlig in Luft aufgelöst!
Zum Abschluss sei noch der Hinweis erlaubt, dass Deutschland mit Vincent Keymer nach einer langen Durststrecke erstmals wieder einen Spieler in den Top 10 hat. Auf Rang 6 der Welt stand er noch nie, und wir freuens uns sehr darüber.