
Ingrid Lauterbach und Paul Meyer-Dunker sind die beiden Kandidaten für das Amt des DSB-Präsidenten. Am 31. Mai entscheidet sich, wer den Deutschen Schachbund in den beiden kommenden Jahren führt.
Michael Busse hat für die Chess Tigers beiden Kandidaten die gleichen Fragen gestellt.
1. Was sind Ihre Motive, sich als DSB-Präsident bzw. -Präsidentin zu bewerben?
Lauterbach: In den letzten zwei Jahren wurde sehr viel erreicht. Die Finanzen wurden konsolidiert. Die gerade beendeten Deutschen Meisterschaften waren aus Sicht aller Beteiligten ein voller Erfolg. Lob und Anerkennung kam von vielerlei Seiten, besonders gefreut haben mich die Worte von Roman Krulich. Er bedankte sich für die professionelle Zusammenarbeit und ergänzte, dass er mich weiter in dieser Rolle sehen will, und alles andere für ihn eine Enttäuschung wäre. Die Vorbereitung und Durchführung der Deutschen Meisterschaft hat einen gewaltigen Zeitaufwand gekostet. Viele Spieler sprachen mich an, wie toll diese Deutschen Meisterschaften waren, der Abschlussabend hat alle begeistert. Dies sind Gründe genug, meine Aufgabe weiter ausfüllen zu wollen, auch im Interesse des Schachs in Deutschland.
Meyer-Dunker: Der Schachsport boomt, doch davon kommt immer noch viel zu wenig im organisierten Schachsport an. Konsolidierung ist das eine, sollte aber auch zu erwarten sein, wenn es 300.000 € mehr Mitgliedsbeiträge von den Mitgliedsverbänden gibt. Wenn diese Konsolidierung aber Selbstzweck bleibt, ist damit wenig gewonnen. Hier möchte ich ran.
2. Was sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Unterschiede zwischen Ihnen und dem jeweils anderen Bewerber für das DSB-Präsidium (hinsichtlich Persönlichkeit bzw. Standpunkten)?
Lauterbach: Wenn ich es mit schachlichen Worten beschreiben will, würde ich mich eher als Strategen sehen und Paul als den Taktiker. Ich plane und bewerte, um dann zu den hoffentlich richtigen Schlussfolgerungen zu kommen und dann packe ich es auch an. Generell bin ich sicher nicht der Politiker, ich verspreche nur, was ich halte, und das mache ich dann auch.
Meyer-Dunker: Da ich mich seit fast 20 Jahren in verschiedensten Kontexten und Funktionen nahezu durchgängig ehrenamtlich engagiere, ist die Erfahrung im Umgang mit Ehrenamtlichen sicherlich der größte Unterschied. Ingrid hat auf der anderen Seiten große Erfahrung mit der Arbeit in einem Großunternehmen.
3a. Frau Lauterbach, wie bewerten Sie die Bilanz von Paul Meyer-Dunker als Präsident des Berliner Schachverbandes?
Lauterbach: Da kann ich ehrlich gesagt nicht viel dazu sagen. Ich hatte mit den Aufgaben im DSB ausreichend zu tun, so dass ich nicht die Entwicklungen in allen Mitgliedsverbänden im Detail verfolgen konnte.
3b. Herr Meyer-Dunker, wie bewerten Sie die Bilanz von Frau Lauterbach als Präsidentin des Deutschen Schachbundes?
Meyer-Dunker: Ihr größtes Verdienst ist es, den Schachbund nach vielen Jahren mit schlechten Schlagzeilen und einem Budget, das aus dem Ruder gelaufen war, wieder an einen Punkt gebracht zu haben, an dem man zwei Jahre lang ohne große, öffentlichkeitswirksame Skandale ausgekommen ist und den Verband wieder in ruhigere Fahrwasser geführt hat.
4. Die Konsolidierung der Finanzen im DSB ist gelungen. Jedoch gibt es Stimmen, die die finanziellen Kürzungen wie z.B. im Leistungssport kritisieren. Wie wollen Sie sich als Präsident/Präsidentin in dieser Frage positionieren?
Lauterbach: Die Kritik kam ja nicht nur vom Leistungssport, sondern auch aus allen anderen Bereichen, da alle von Kürzungen betroffen waren. Die Kritik unterschied sich im Wesentlichen in der Lautstärke. Bzgl. Leistungssport wurde in der Kommission Leistungssport diskutiert, wo die Athleten den größten Bedarf sehen, um dies im jetzigen Haushaltsansatz angemessen zu berücksichtigen. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist natürlich, zusätzliche Einnahmequellen zu finden. Für unsere Deutschen Meisterschaften in München ist das durch die großzügige Unterstützung von Roman Krulich gelungen, für 2026 haben wir jetzt bereits eine Vorvereinbarung in einem noch größeren Rahmen den Schachgipfel wieder durchzuführen. Dies kommt auch unseren Spitzenspielern zugute.
Meyer-Dunker: Die Konsolidierung ist vor allem deshalb gelungen, weil die Landesverbände jedes Jahr deutlich mehr Mitgliedsbeiträge überweisen. 2023 waren es noch 645.000 €, 2025 wird aktuell vom Präsidium mit 944.000 € gerechnet, ein plus von knapp 300.000 € mehr an Mitgliedsbeiträgen.
Leider ist davon bisher noch nichts in vielen Bereichen angekommen, wie auch im Leistungssport. Vielmehr wurde zusätzlich zu diesen großen Mehreinnahmen auch noch erheblich gekürzt.
Hier gilt es gegenzusteuern. Wenn der Deutsche Schachbund für 2024 – gemäß der Unterlagen des Präsidiums – eine Einnahmeüberdeckung von 187.800 € ausweist, während an allen Ecken und Enden gespart wird, die Referate und unser Spitzensport ächzen, Sonderförderungen für unseren Nachwuchs zusammengekürzt werden und der Schachbund nicht einmal kleinste Auslagen seiner Ehrenamtler zahlen will, dann läuft etwas gewaltig schief.
5. Wie bewerten Sie die 32 (!) Anträge, die zum bevorstehenden DSB-Kongress gestellt wurden und die sich vorrangig mit DSB-internen Satzungs- und Ordnungsfragen befassen?
Lauterbach: Es sind zu viele. Ich hoffe, dass dies nicht nur ich so sehe, und wir zusammen Lösungen finden, wie wir zukünftig diese Zahl reduzieren können.
Meyer-Dunker: Mehr Fokus auf weniger und wichtige Fragen würde uns allen helfen.
6. Welches sind aus Ihrer Sicht die Haupt-Entwicklungsfelder oder Themen, die in den nächsten Jahren auf den Deutschen Schachbund warten?
Lauterbach: Wir sind in vielen Bereichen noch nicht da, wo ein moderner Verband sein sollte. Es fängt mit der Digitalisierung und der Verschlankung von Prozessen an, wir müssen unsere Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit, aber auch gegenüber dem DOSB erhöhen. Den Besuch von Verena Bentele (Vizepräsidentin des DOSB) empfand ich als große Ehre. Der Schritt einen Weltklassefotografen wie Stev Bonhage in München zu engagieren, war sicher richtig, auch für andere Aufgaben müssen wir, wenn es unsere Mittel erlauben Profis einsetzen. Wenn wir 2029 World Games in Deutschland haben werden, müssen wir alles versuchen, dort dabei zu sein. Und natürlich ist auch unser Jubiläumsjahr ganz wichtig. Wir haben in der Vorbereitung von München gesehen, wie schnell die Veranstaltung dann da ist, 2027 ist nicht mehr lang hin.
Meyer-Dunker: Der Schachbund muss es schaffen, wieder mehr Leute für das Ehrenamt im Schachbund zu begeistern.Wir brauchen Antworten auf die Fragen, wie wir Schachspielerinnen und Schachspieler, die bisher noch nichts mit dem organisierten Schachsport zu tun haben, dafür begeistern bei unseren Vereinen und unseren Turnieren im „echten Leben“ dabei zu sein. Im Zuge dessen müssen wir auch unsere bestehenden Regelungen im Spielbetrieb hinterfragen. Müssen wir Bedenkzeiten verkürzen bzw. brauchen wir kürzere aber dafür mehr Partien pro Tag, brauchen wir andere oder neue Wettbewerbe. Frei von vermeintlichen heiligen Kühen oder tradierten Vorstellungen sollten wir diese Fragen sowohl mit Blick auf Spieler- als auch Zuschauerfreundlichkeit prüfen. Schulschach brauchen wir an so viele Schulen wie möglich. Das wäre auch die einfachste, nachhaltigste Antwort auf die Frage, wie wir die 100.000 Mitglieder-Marke knacken. Dass das erfolgreiche Projekt „Schach macht Schule“ eingestellt und nicht wieder neu aufgelegt wurde, ist bis heute sehr bedauerlich.
7. Mit Amtsinhaber Guido Springer sowie Jannik Kiesel, der aus der Schachjugend kommt, gibt es zwei Bewerber für das Amt des Vizepräsidenten Verbandsentwicklung. Mit wem können Sie besser zusammenarbeiten?
Lauterbach: Ich freue mich sehr über die Bewerbung von Jannik Kiesel, da ich ihn persönlich sehr schätze. Ich erhoffe mir von ihm auch neue Impulse. Guido Springer hat vielfältige Aufgaben im Landesverband, ist auch beruflich sehr eingespannt, aus meiner Sicht bleibt da nicht genügend Zeit für den DSB. Man unterschätzt leicht, welch immenser Zeitaufwand mit einem solchen Ehrenamt verbunden ist, das ging mir ehrlicherweise vor 2 Jahren auch so, nur konnte ich es durch meine persönliche Situation abfedern, wenn auch zu Lasten von Urlaub und Familie.
Meyer-Dunker: Da es nicht meine Wahl ist und ich im Falle einer Wahl mit dem gesamten gewählten Team zusammenarbeiten können muss und will, bitte ich um Verständnis, dass ich hier keine Präferenzen angebe. Ich könnte mit beiden zusammenarbeiten und würde das auch tun.
8. Wie schafft es der DSB, die 100.000 Mitglieder-Marke zu knacken?
Lauterbach: Wir hatten am 1.Mai 96640 Mitglieder, d.h. es schaut stark danach aus, dass wir die 100.000 Marke in 25 oder spätestens 26 knacken. Aber danach sollten wir ja nicht das Wachsen aufhören. Unsere Nachbarn in Frankreich machen uns im Moment vor, dass noch mehr Wachstum drin ist. Nicht zuletzt liegt dort der Frauenanteil auch deutlich über unseren 10% . Da haben wir Luft nach oben und ich hoffe, dass unser gemeinsames Projekt zwischen DSB und DSJ uns weiter voranbringt.
Meyer-Dunker: Aktuell sieht es so aus, als ob der DSB dafür nicht mehr viel tun muss, weil diese Marke „auch so“ ziemlich bald geknackt wird. Unabhängig von dieser Marke brauchen wir mehr Initiativen, Schach in so viele Schulen wie möglich zu bringen, den Schachsport in der Öffentlichkeit sichtbarer zu machen und mehr Veranstaltungen durchzuführen, die starke und/oder bekannte Schachspielerinnen und Schachspieler mit Events für die breite Masse kombiniert.
9. Elisabeth Pähtz ist aus der Nationalmannschaft zurückgetreten, das Powergirls-Programm ist eingestellt, ein neuer Frauen-Bundestrainer ist noch nicht gefunden. Befindet sich das Spitzenschach bei den Frauen in der Krise? Und wenn ja, wie kommt es aus dieser Krise heraus?
Lauterbach: Dass Elisabeth irgendwann ihre beeindruckende Karriere beenden würde, überrascht vermutlich niemanden. Und die Entscheidung (bei der auch die Spielerinnen durch die Aktivensprecherin eingebunden waren) einen Vertrag nicht zu verlängern, ist auch nichts Ungewöhnliches. Die Spielerinnen legen bei der Findung eines neuen Bundestrainers mehr Wert darauf, dass es passt, als dass es schnell geht. Daraus konstruieren zu wollen, das Spitzenschach der Frauen befände sich in einer Krise ist durchaus gewagt. Schauen wir mal kurz zum gerade beendeten Mitropacup: Svenja Butenandt startete mit 5,5 aus 6 und hatte am Ende die WIM-Norm, hier in München hat Charis Peglau auch eine WIM-Norm erzielt oder im April in Karlsruhe: Josefine Heinemann hat in Karlsruhe beim Freestyle gezeigt, welche schachlichen Qualitäten sie hat. Natürlich fehlt zum Teil die Konstanz, ich hoffe ein neuer Bundestrainer kann die passenden Impulse geben, um auch hier zu unterstützen!
Meyer-Dunker: Krise scheint mir etwas hochgegriffen. Es ist letztlich so, dass wenn der Schachbund wenig investiert, man sich auch nicht wundern muss, wenn nicht von selber bessere Ergebnisse kommen. Am nachhaltigsten ist es, im Nachwuchsbereich früh und gut zu fördern. Das Prinzenprogramm sollte eine Blaupause sein für ähnliche Programme im Mädchenbereich. Der DSB sollte Partner finden, um Talenten und jungen Spielerinnen duale Ausbildungswege, die Vereinbarkeit von Schule/Ausbildung/Studium mit einem leistungssportlichen Fokus auf Schach zu ermöglichen. Im Bereich der Nationalmannschaft müssen wir unsere besten Spielerinnen (und Spieler) dabei unterstützen, ihren Fokus auf den Schachsport legen zu können. Auch hierfür braucht es Partner außerhalb des Sports, die wir für die Unterstützung unserer Athletinnen begeistern müssen.
10. Wie positionieren Sie sich gegenüber dem Weltschachverband FIDE mit seinem russischen Präsidenten Arkady Dvorkovich?
Lauterbach: Die eine Frage ist, wie positionieren wir uns gegenüber dem Verband FIDE, die andere wie gegenüber Dvorkovich. Wir sind Mitglied dieses Verbandes und müssen versuchen unsere Interessen mit demokratischen Mitteln durchzusetzen. Beim letzten FIDE-kongress ist das aus meiner Sicht gut gelungen. Allerdings sehen wir auch, dass wie in anderen Dachverbänden, der Einfluss der Europäer und Amerikaner schwindet, d.h. wir müssen auch die Vertreter anderer Kontinente aktiv bzgl. unserer Positionen ansprechen. Arkady Dvorkovich ist ein anderes Thema. Natürlich ist er ein Vertreter Russlands, der mit Sicherheit Druck der Putinregierung hat, als Präsident des Verbandes aber die Interessen der FIDE vertreten soll. Diesen Spagat sehe ich kritisch bis unmöglich an, ich sehe aber auch noch nicht, wo ein überzeugender Gegenkandidat herkommen soll. Es würde mich freuen, wenn es einen solchen gäbe.
Meyer-Dunker: Arkady Dvorkovich als FIDE-Präsident ist aus meiner Sicht eine indiskutable Personalie. Auch hat die FIDE zu selten die Interessen der Schachspielerinnen und Schachspieler im Blick. Letztlich sieht das aber ein Großteil der weltweiten Schachverbände aktuell anders, so dass man auch damit wird umgehen müssen.
Foto: DSB
Vielen Dank für diesen ausgezeichneten Beitrag, den ich mit großem Interesse gelesen habe!
Der Satz von Paul „Es ist letztlich so, dass wenn der Schachbund wenig investiert, man sich auch nicht wundern muss, wenn nicht von selber bessere Ergebnisse kommen. “ ist aus meiner Sicht schlichtweg falsch. Das war VOR dem Powergirls-Programm sicher so, hat sich dann aber durch das Engagement von GM Hertneck und Sponsor Roman Krulich gewaltig geändert. Es mögen keine Riesenbeträge an die Spielerinnen geflossen sein, aber doch deutlich mehr als davor. Plötzlich konnten Turnier und Trainingsleistungen abgerechnet werden. Ja und dann wurde das Programm Anfang 2024 eingestellt. Wieso? Weil die Spielerinnen nicht unter Beweis stellen konnten, dass sich ihre Elozahlen nachhaltig verbessert haben. Trotzdem hat das Programm sicher sehr motivierend gewirkt!
Aber nun muss man einfach sagen, wir müssen an anderer Stelle ansetzen, nämlich bei der Mädchenförderung, wie von Paul richtig angemerkt.