IM Roman Vidonyak ist meiner Meinung nach eine Naturgewalt. Ich kenne ihn schon lange, das Wort unmöglich ist in seinem Wortschatz nicht vorhanden. In Insiderkreisen kennt man seine geniale Arbeitsleistung, in der breiten Öffentlichkeit ist sie leider noch nicht so bekannt!
Mich freut es riesig, dass er seinen Traum, Trainer von Weltklassespielern realisieren konnte! Roman ist ein Fide Senior Trainer, das bedeutet, das er fünf Großmeister gemacht hat, quasi vom Anfang an.
- Hallo Roman, bitte stelle dich kurz vor!
Hallo Walter, ich bin ein Schachtrainer aus München, 53 Jahre alt, glücklich verheiratet und Vater von zwei Töchtern. Mehr fällt mir momentan nicht ein.
- Du arbeitest seit Jahren mit den Schulschachprofis (DSSP) aus der Schweiz zusammen! Wie kann man sich deine Arbeit vorstellen?
Seit 2017 war ich aktiv bei DSSP tätig, wo ich als Cheftrainer die fortgeschrittenen Gruppen unterrichtete und maßgeblich an der Entwicklung der Strukturen des Fördertrainings innerhalb der Institution mitwirkte. Derzeit bin ich so intensiv in das weltweite Spitzentraining involviert, dass nur noch begrenzte Zeit für DSSP verbleibt…
- Was die wenigsten wissen, beim Weltcup 2025 betreutest du sechs Spieler, Giri, van Foreest, Donchenko, Fedoseev, Yakubboev und den Gewinner Sindarov. Das ist eigentlich nicht möglich, so viele Spieler gleichzeitig zu betreuen!
Die genannten Spieler gehören sowohl zum festen Stamm meiner Schützlinge (Sindarov, Yakubboev, Fedoseev) als auch zu den sogenannten Gastschülern, die nur sporadisch an meinen Lehrgängen teilnehmen. Der Unterschied liegt in der Intensität und Regelmäßigkeit der Lehrgänge sowie im eigenständigen Training gemäß meinem Programm. Während des Turniers betreue ich meine Schützlinge selten; meine Aufgabe als Trainer besteht vielmehr darin, die Großmeister vor und nach dem Turnier auf die bevorstehenden Herausforderungen durch intensives Training vorzubereiten. Der Hauptanteil des Trainings entfällt auf 10- bis 14-tägige Lehrgänge, in denen wir täglich acht Stunden lang verschiedene schachliche und mentale Fähigkeiten der Schüler verfeinern. Ein Schützling absolviert jährlich mindestens sechs solcher Lehrgänge. Die Verantwortung für die Betreuung während des Turniers obliegt jedoch vornehmlich den Sekundanten sowie den Angehörigen und Freunden.
- Der Deutsche Schachbund hat mit GM Vincent Keymer, GM Matthias Blübaum, den Svane-Brüdern und GM Alexander Donchenko eine herausragende Mannschaft zusammengestellt, während Costa, Deuer und Glöckler langsam nachrücken. Wie bewertest du die Ausgangslage, und wie kann der DSB versuchen, dieses Potenzial auszuschöpfen?
Ich bin überzeugt, dass der größte leistungssteigernde Hebel, den die herausragenden Topspieler im Gegensatz zu unserer nationalen Elite nutzen, in der Intensität und Systematik des Trainings verankert ist. Hierzulande mangelt es sowohl an einem tiefgreifenden Verständnis für den Entwicklungsprozess als auch an den notwendigen finanziellen Ressourcen. Obwohl wir in Deutschland stets über eine Fülle von Talenten verfügten, haben wir vergleichsweise wenig daraus gemacht.
Im Laufe der Jahre habe ich meine Vision den bedeutenden Förderern des Schachsports in Deutschland nähergebracht, jüngst Jan Henric Buettner, der in bemerkenswerter Weise in kurzer Zeit viel für das Schach geleistet hat. Bedauerlicherweise fand ich nirgendwo ein offenes Ohr für die langfristige und fundierte Unterstützung des Projektes „Make Chess-Germany great again“.
- Ein gewagtes Gedankenspiel: Wenn du DSB-Präsident wärst, was würdest du unternehmen, um das Schach in Deutschland systematisch zu fördern?
Das Aufgabenspektrum dieser Führungsposition ist mir nur unzureichend vertraut. Was die Schachförderung in Deutschland anbelangt, so existieren zahlreiche unterschiedliche Bereiche: Anfänger- und Schulschach, Vereinsleben, Mädchen- und Frauenschach, Seniorenschach sowie Hochleistungsschach. Jeder dieser Bereiche erfordert engagierte Führungspersönlichkeiten mit profundem Fachwissen, die in ihrem jeweiligen Sektor die entscheidenden Impulse setzen können. Die Identifikation und das Engagement solcher Personen stellt eine maßgebliche Herausforderung für die Führung dar. Dies gilt sowohl für Unternehmen im wirtschaftlichen Sektor als auch für Sportverbände oder -vereine. Seit etwa 1995 beobachte ich die Aktivitäten des Deutschen Schachbundes und habe in diesem Zeitraum lediglich selten herausragende Persönlichkeiten in Schlüsselpositionen wahrgenommen. Möglicherweise liegt die Problematik darin, dass diese Positionen unzureichend oder wenig attraktiv entlohnt werden, was in unserem System unweigerlich dazu führt, dass potenzielle Kandidaten alternative Betätigungsfelder in Betracht ziehen.
- Jahreswechsel sind dazu da, sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft zu blicken! Was sind deine Ziele und Wünsche für die nächste Zeit?
Mit den zunehmenden Erfolgen meiner Schützlinge sind die Anforderungen an die Trainerrolle ebenfalls gestiegen. Ich wünsche mir, diesen Herausforderungen im kommenden Jahr gerecht zu werden und weiterhin qualitativ hochwertiges Training für meine Schüler anbieten zu können.
Meet Roman Vidonyak: The hidden coach behind top grandmasters | ChessBase