
Nun ist es also passiert: zum Hauptausschuss im Oktober haben gleich vier Referenten einen Antrag zur Regelung des leidigen Transgender-Themas gestellt. Als da wären:
Dr. Carlos Hauser, Referent für Leistungssport
Jannik Liebelt. Referent für Onlineschach
Wolfgang Cleve-Prinz. Referent für Seniorenschach
Dominik Wieber. Referent für Breiten- und Freizeitschach
Grundsätzlich ist das zu begrüßen, wenn Klarheit in der Sache geschaffen wird, aber wenn man näher hinschaut, dann mehren sich die Zweifel an dem Antrag, und zwar aus folgenden Gründen:
1. Der Antrag wurde per Eilpost eingereicht!
Auszug aus der Begründung: „Mit Überraschung nahmen die unterzeichnenden Referenten zur Kenntnis, dass beim Kongress 2025 des DSB in Paderborn zwar geplant wurde, das Thema „Transgender“ zum Hauptbestandteil des hier adressierten Hauptausschusses zu erklären, jedoch bis wenige Stunden vor Antragsschluss kein einziger Antrag zu diesem Thema veröffentlicht wurde. Zur Behebung dieses Missstandes und zur Schaffung einer Abstimmungsgrundlage, wird der hier gegenständliche Antrag nun aus dem Referentenkreis fristgerecht eingereicht.“
Mit anderen Worten: das Präsidium, das hier eigentlich gefordert war, sah hier keine Veranlassung, in der Sache tätig zu werden.
2. Die federführende Frauenkommission zog nicht mit!
Es ist kein Geheimnis, dass die eigentlich federführende Frauenkommission die bedingungslose Zulassung von Transgendern zum Spielbetrieb ablehnt, und sie hat sich zu dem Thema auch mehrfach kritisch beraten, jedoch schlussendlich darauf verzichtet, sich an dem Antrag der oben genannten Referenten zu beteiligen, was auf Ablehnung des Antrags hindeutet. Umgekehrt hat sie aber auch keinen eigenen Antrag eingebracht, was auch unbefriedigend ist.
3. Der Antrag bleibt offen in alle Richtungen und damit völlig vage!
Von einem Antrag würde man erwarten, dass er sich klar positioniert, in welche Richtung es gehen soll, mit entsprechender Begründung natürlich. Stattdessen bietet dieser Antrag gleich drei gleichberechtigte Optionen zur Auswahl:
Antrag 2a:
Die Teilnahme an der weiblichen Wertungsklasse (w) steht allen Spielerinnen offen, deren genderunabhängiges, mithin biologisches Geburtsgeschlecht (Sex), weiblich ist.
Antrag 2b:
Die Teilnahme an der weiblichen Wertungsklasse (w) steht allen Spielerinnen offen, deren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister mit weiblich gekennzeichnet ist.
Antrag 2c:
Die Teilnahme an der weiblichen Wertungsklasse (w) steht allen Spielerinnen offen, deren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister mit weiblich gekennzeichnet ist. Im Falle der Änderung des Geschlechtseintrags, gilt die Spielberechtigung ab der Folgesaison des Änderungsdatums.
Kurzum: wenn ich nicht weiß was ich will, dann biete ich einfach alle Optionen zur Auswahl an, in der vagen Hoffnung, dass die in der Sache richtige Entscheidung getroffen wird. Genau diese Hoffnung trifft aber nicht zu, denn es handelt sich hier um ein komplexes Thema.
4. Die Rechtslage wird nicht ausführlich erläutert!
Zwar wird richtig hervorgehoben, dass durch das SBGG (Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den
Geschlechtseintrag) vom 01. November 2024 die zuvor trennscharfe Abgrenzung des Wortlauts „weiblich“ aufgehoben wurde….
Aber was fehlt ist die gerade für den Sport geschaffene Ausnahmevorschrift des §6 Abs. 3 SBGG, wie in folgender Mitteilung des Bundestags hervorgehoben:
„Berlin: Das Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) berührt nicht das Recht juristischer Personen, ihre Angelegenheiten durch Satzung zu regeln. „Sportvereine entscheiden daher selbst über den Zugang zu ihren Einrichtungen und Veranstaltungen in eigener Verantwortung nach ihrer jeweiligen Satzung“, schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort (21/607) auf eine Kleine Anfrage. Die Fraktion hatte sich nach „negativen Auswirkungen der Transgenderpolitik auf Fairness in sportlichen Wettbewerben“ erkundigt und unter anderem gefragt, inwiefern es sich mit sportlichen Fairnessprinzipien verträgt, wenn nicht medizinische Befunde und Gutachten, „sondern die Sportler selbst entscheiden dürfen, ob sie gegen Männer oder gegen Frauen antreten“.
Durch die Einführung des SBGG hat sich nach Darstellung der Bundesregierung nichts geändert. Das Gesetz ermögliche lediglich die Änderung des Personenstands einer Person, direkte Auswirkungen auf die Teilnahme an sportlichen Wettbewerben seien nicht erkennbar. Die Teilnahme an einem sportlichen Wettbewerb könne je nach Sportart entsprechend der personenstandsrechtlichen Geschlechtszuordnung oder unabhängig davon geregelt werden. Für den Schulsport und für Sporttests stelle Paragraf 6 Absatz 3 SBGG klar, dass die Bewertung sportlicher Leistungen unabhängig vom aktuellen Geschlechtseintrag geregelt werden kann.“
5. Ein Vergleich mit Regelungen anderer Sportarten findet nicht statt!
Da die Behandlung de Transgender-Thematik kein spezifisches Problem des Schachsports ist, hätte man sich an anderen Sportarten orientieren können, die bei dem Thema bereits weiter sind, nämlich insbesondere dem Boxsport und der Leichtathletik. Auf die diversen Beiträge hierzu auf dem Schachkicker wird verwiesen. In dem Antrag fehlt die Bezugnahme dagegen ganz.
Es wäre hier sinnvoll gewesen, sich mit den aktuellen Entwicklungen, über die wir auch berichtet haben, auseinander zu setzen, um mehr Informationen zu gewinnen, und eine fundiertere Entscheidung zu treffen.
6. Die Optionen im Antrag sind unvollständig!
Wenn man schon ein möglichst breites Entscheidungsspektrum bieten wollte, dann hätte man auch alle Optionen anbieten sollen, aber eine der wichtigsten fehlt! Nämlich der nachgewiesene biologische Geschlechtswechsel vom Mann zur Frau!
Antrag 2a gewährt nämlich nur die Möglichkeit gebürtige Frauen zu Frauenmeisterschaften zuzulassen. Doch bekanntlich kann sich das biologische Geschlecht auch durch Hormonbehandlung ändern. Aus unserer Sicht ist es nicht richtig, Transgender vom Frauenwettbewerb auszuschließen, wenn eine erfolgreiche biologische Geschlechtsbehandlung durchgeführt wurde. Und dies könnte durch einen einfachen Bluttest zur Geschlechtsbestimmung nachgewiesen werden! Dies wäre also die vierte Option im Antrag gewesen: Nachweis des biologischen Geschlechts vor Beginn des Wettbewerbs!
7. Wir reden vom Leistungssport und nicht von Breitensport!
Man muss hier klar unterscheiden: im Breitensport kann doch jederzeit das soziale Geschlecht, also der Personenstandeintrag für die Zulassung herangezogen werden, weil hier der Wettbewerbscharakter in den Hintergrund tritt. Im Leistungssport dagegen sieht es anders aus. Hier geht es um Qualifikationen zu Europameisterschaften und zu Weltmeisterschaften, vor allem im Jugendbereich. Wie im Antrag selbst ausgeführt, sieht die FIDE Zulassungen im Transgenderbereich äußerst kritisch, während die ECU eine laxere Position vertritt.
Unter diesen Umständen kann man doch nicht ernsthaft beantragen, dass im Leistungssport der Geschlechtseintrag im Personenstandregister maßgeblich ist, da dies zu einer Verzerrung des Wettbewerbs führen würde, und ggf. auch zu einer Sperre der Betroffenen auf Ebene der FIDE!
Fazit:
Im Grunde ist die Sache ganz einfach: es muss gewährleistet sein, dass eine Person mit abweichendem biologischen Geschlecht (also männlich) am Frauenwettbewerb nicht teilnehmen darf, sondern nur am offenen Wettbewerb. Und zwar weil mit den Frauenwettbewerben ganz bewusst ein Schutzraum geschaffen wurde. Das ist ein ganz trivialer Zusammenhang, der von den Anträgen 2b und 2c völlig ignoriert wird.
Oder anders formuliert: man kann aus Gründen der sportlichen Fairness nicht einen biologischen Mann zu Frauenwettbewerben zulassen! Welche unschönen Folgen das in der Praxis hat, haben wir auf der Olympiade 2024 in Paris gesehen, und wir hoffen, dass sich diese Bilder nicht wiederholen!
Richtig ist allerdings auch, dass sich eine Athletin im Leistungssport bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte durchgeklagt hat, und am Ende Recht bekam. Nun dann muss man sagen, dass dieser Gerichtshof offensichtlich keine Ahnung von sportlicher Fairness hat!
Offensichtlich geht es doch den Antragstellern hauptsächlich darum, dass das Thema überhaupt beraten werden kann. Dazu war es erforderlich, fristgemäß (gerade noch) rechtzeitig einen Antrag einzubringen. Wäre das nicht geschehen, hätte die Thematik auf dem Hauptausschuss überhaupt nicht erörtert werden können. Wegen dieser guten Absicht würde ich den Inhalt des Antrags nicht zu stark bekritteln.
Zur Kritik:
Dass die Referentin für Frauenschach – bekanntlich eine Kritikerin der Position der DSB-Präsidentin – sich nicht gerührt hat, macht staunen.
Warum Leistungssport anders behandelt werden soll als Breitensport, erschließt ich mir nicht.
Soll damit allen Spielklassen unterhalb der Bundesliga der Wettbewerbscharakter abgesprochen werden?
Als erstes ist zu klären, ob der Antrag überhaupt rechtzeitig eingereicht wurde und welche Frist hierfür gilt (§19.3 in Verbindung mit §23.2). Denn für Anträge, die von der Bundesspielkommission vorab beraten werden müssen, gelten nicht sechs Wochen, sondern drei Monate.
Womöglich hat auch das Präsidium aus diesem Grund keinen Antrag eingereicht, obwohl dieser groß von Matthias Wolf und der Präsidentin Ingrid Lauterbach auf der DSB-Webseite angekündigt wurde. Die Verbände Baden und Württemberg haben die drei Monatsfrist für ihren eigenen Antrag ,,Meisterschaftskontigente bei Verbandsfusionen“ explizit berücksichtigt.
Hallo Max, ja das ist richtig, es ist schon mal ein guter Ansatz, dass beim DSB Bewegung in das Thema kommt. Zum Thema „Leistungssport contra Breitensport“ muss ich zurückfragen wie genau grenzt sich das eigentlich ab? Also, 1 und 2. Frauenbundesliga gehören bei mir eindeutig zum Leistungssport. Darunter gibt es ja nur noch die dritte Liga, soweit ich weiß, und die würde ich tatsächlich eher dem Breitensport zuordnen. Man kann es aber auch so, dass jeder organisierte Wettkampfsport zum Leistungssport zählt.
Ein paar Anmerkungen:
1. Das eigentliche Problem an Antrag 2a ist doch, dass er bei einer Speicherung des bei der Geburt zugewiesenen Geschlechtes umsetzbar ist – das allerdings verstößt gegen § 13 SBGG.
2. Ein Vergleich mit Regelungen anderer Sportverbände ist m.E. nur sinnvoll, wenn die körperlichen Voraussetzung vergleichbar sind. Für den Schachsport ist es somit völlig irrelevant, wie die Regelungen zu Transmenschen in körperbetonten Sportarten wie Boxen und Leichtathletik sind, interessant ist vielmehr die Frage, wie es etwa andere Denksportverbände oder auch olympische Verbände mit minimalen körperlichen Anforderungen (wie die Deutsche Reiterliche Vereinigung und der Deutsche Golf Verband) handhaben. Wenn diese den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister als geeignetes Kriterium ansehen, sehe ich keine Rechtfertigung, im Schach davon abzuweichen.
3. Eine dringende Leseempfehlung, da a) der Text anscheinend der allgemeinen Aufmerksamkeit entgangen ist und b) nicht nur über Transmenschen diskutiert wird, sondern mit Annemarie Meier eine direkt Betroffene in einer ausgesprochen sachlichen und differenzierten Stellungnahme zu Wort kommt:
https://www.schachbund.de/news/redet-miteinander-oder-transfrauen-im-schach.html
Hallo Holger, danke für deinen Kommentar. Allerdings bin ich hier gleich mehrfach unterschiedlicher Meinung.
zu 1. Nein, Antrag 2a verstößt nicht gegen §13 SBBG, du meinst das Offenbarungsverbot? Nun, die Schachwelt ist klein, und im Schach weiß man doch, ob jemand früher Junge oder Mädchen war, da braucht man ja bloß die Gegner zu fragen. Eine Ausnahme gilt vielleicht beim Zuzug aus dem Ausland oder wenn jemand ganz neu im Schach ist. Aber da ja gerade im Sport die Öffnungsklausel im SBBG geschaffen wurde, folgt natürlich konkludent daraus, dass auch das frühere Geschlecht ermittelt werden darf. Der Sinn der Vorschrift besteht darin, dass jemand nicht verächtlich gemacht wird, nicht aber darin, dass die Identität verheimlicht wird, wenn es nötig ist, sie zu ermitteln.
zu 2. Lies bitte noch mal den Artikel https://schachkicker.de/wie-erklaert-sich-der-unterschiedliche-zugang-von-frauen-und-maennern-zum-schach/, und melde dich danach wieder. Wenn dir das zu theoretisch ist, dann studiere noch mal den weltweiten Elo-Unterschied zwischen Frauen und Männern (ungefähr 250 Punkte im Schnitt), und melde dich dann wieder. Gerade der Schachsport sollte hier ein Zeichen setzen, an dem sich Andere orientieren können, wir brauchen hier nicht auf die Entscheidungen Anderer zu warten.
zu 3. Diesen larmoyanten Text von Tischbierek habe ich in der Tat gelesen, abgesehen davon dass er überlang war, fand ich ihn völlig einseitig, und damit nicht repräsentativ. Der Sportverband muss nach der Logik der Sache so an das Thema so herangehen, dass die Fairness des Wettbewerbs gesichert bleibt. Wozu werden denn Frauenturniere ins Leben gerufen? Dafür das biologische Männer teilnehmen dürfen? Sicherlich nicht! Dabei können nicht alle Einzelinteressen (die es durchaus auch gibt!) berücksichtigt werden.
Abschließend muss ich noch einmal sagen, dass ausgerechnet die Lösung, die ich befürworten würde, nämlich Nachweis des Geschlechts durch einen genetischen Bluttest in dem Antrag fehlt.