Im jüngsten Schachtalk der Chess Tigers rückte Anna-Blume Giede in den Mittelpunkt – Vorsitzende der Schachjugend Schleswig-Holstein, Lehramtsabsolventin und seit Kurzem Teil des Kommunikationsteams der Schachbundesliga. In der Runde mit Michael Busse und Jonathan Carlstedt sprach sie über Engagement, Nachwuchsarbeit, internationale Turniere und darüber, warum Schule und Öffentlichkeitsarbeit für das Schach wichtiger sind, als man denkt.
Von Lübeck nach Hamburg – und tief ins Jugendschach
Anna-Blume Giede stammt aus Lübeck, studierte in Kiel und lebt heute in Hamburg. Ihr Weg im Schach war kein klassischer Leistungsweg, sondern einer über Organisation, Gemeinschaft und Vermittlung. Als Vorsitzende der Schachjugend Schleswig-Holstein verantwortet sie Projekte, die Kinder und Jugendliche ans Brett bringen – und dort halten sollen.
Besonders am Herzen liegt ihr der Verein TuRa Harksheide in Norderstedt, der in der Frauenbundesliga spielt. Dessen Arbeit gilt als Vorbild: Mädchen- und Frauenschach wird dort selbstverständlich gelebt, mit kreativen Aktionen wie „Schach auf dem Reiterhof“. Für Giede ist das beispielhaft – Schach als Ort, an dem Freundschaften entstehen und man sich wiederfindet.
Mehr Sichtbarkeit für die Bundesliga
In Schleswig-Holstein hat Giede die Öffentlichkeitsarbeit spürbar modernisiert, unter anderem durch einen eigenen Instagram-Kanal der Schachjugend. Diese Erfahrung bringt sie nun in die Bundesliga ein. Ihr Ziel: aktuelle Bilder, kurze Berichte und persönliche Eindrücke sollen die Liga nahbarer machen.
Beim Auftaktspieltag in Wolfhagen gewann sie erste Eindrücke – und stellte fest, dass es bei der Berichterstattung noch große Unterschiede gibt. Manche Vereine sind aktiv, andere unsichtbar. Eine Idee, die sie aus dem Gespräch mitnimmt, ist die zentrale Live-Übertragung der Bundesliga-Spiele. Carlstedt meinte sogar, er könne sie sich gut als Kommentatorin an der Seite eines Großmeisters vorstellen.
Schach im Olympiastadion und das Klassenzimmer als Spielfeld
Ein Blick nach vorn gilt dem Berlin U25 Open, das erstmals im Olympiastadion stattfindet – mit Unterstützung der Chess Tigers und attraktiven Preisgeldern. Dazu kommen neue Formate wie die Deutsche Schach-960-Meisterschaft und der Deutsche Schulschachkongress, flankiert von der Lehrkräfte-Meisterschaft.
Giede betont, wie entscheidend die Schule für den Nachwuchs ist. „Fast jeder zweite Schachspieler hat das Spiel in der Schule gelernt“, sagt sie. Sie selbst spielte bei Landesschulschachmeisterschaften und weiß, welche Rolle gute Betreuung spielt. Beim Kongress wird auch über Marco Bodes Projekt „Schach macht schlau“ gesprochen, bei dem Lehrkräfte und Kinder gemeinsam lernen. Während Michael Busse die verbindende Wirkung des Schachs hervorhebt, findet Carlstedt, das Motto sei genau richtig, weil es im Schulkontext „sofort hängen bleibt“.
Internationale Perspektiven
Im Gespräch geht es auch um die großen Turniere. Bei der Jugend-Europameisterschaft tritt unter anderem Hussain Besou an. Carlstedt erläutert, warum deutsche Spieler dort oft Elo-Punkte verlieren: Viele Gegner aus Osteuropa sind unterbewertet, was die Ergebnisse verzerrt. Trotzdem, sagt Giede, seien solche Turniere unverzichtbar – sie erweitern den Blick und schaffen Motivation.
Beim FIDE World Cup steht für drei deutsche Spieler die Chance auf das Kandidatenturnier im Raum. „Zum Zuschauen ist das spannender“, meint Giede lächelnd, denn das K.-o.-Format lässt kaum Raum für Fehler. Die größten Hoffnungen ruhen auf Vincent Keymer, der möglicherweise gegen Kollars, Esipenko, Vachier-Lagrave und Praggnanandhaa antreten muss. Laut Carlstedt hat er sogar „das vergleichsweise einfachste Los“.
Auch über Matthias Blübaums Team wird spekuliert – ebenso über den Austragungsort des Kandidatenturniers. Ein stiller Wunsch der Runde: eine Austragung in Deutschland. Am Rande wird Christian Maier zu seiner Bronzemedaille bei der Senioren-WM gratuliert.
Turniere, Cafés und Ideen
Giede nennt als persönliches Highlight das Heusenstamm Open in Hessen, das sie besonders atmosphärisch findet. Carlstedt ergänzt Tipps für Hamburg – darunter die Turniere des Hamburger SK und das Schachcafé Barmbek an der S-Bahn Rübenkamp, das sich immer stärker zum Treffpunkt entwickelt.
Ein schwieriges Thema: Wladimir Kramnik
Zum Abschluss wird es ernst. Nach dem Tod von Daniel Naroditsky gibt es eine Petition, Wladimir Kramnik seine Titel abzuerkennen. Giede und Carlstedt raten zur Vorsicht: Solange die Zusammenhänge ungeklärt seien, müsse man mit Urteilen zurückhaltend sein. Einig ist sich die Runde darin, dass Mobbing und öffentliche Diffamierung im Schach keinen Platz haben. Kritik wird auch an der FIDE laut, die bislang kein Verfahren eingeleitet hat, obwohl der Präsident dies angekündigt hatte.
Abschließende Gedanken
Zum Ende des Talks blicken die Teilnehmer auf kommende Begegnungen in der Schachbundesliga Anfang Dezember. Nebenbei gibt es noch ein paar Neuigkeiten: Der Schachkalender 2026 ist erschienen, ChessBase 26 ist verfügbar, und Jonathan Carlstedt sowie Michael Prusikin bieten neue Seminare in Bad Soden an.
Giede richtet zum Schluss einen offenen Aufruf an alle Vereine:
„Ich nehme alles, was ich kriegen kann.“.
Ein sympathischer Auftritt mit klaren Botschaften: mehr Sichtbarkeit, mehr Zusammenarbeit, und die Gewissheit, dass Engagement im Schach auch Spaß machen darf.
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