Die FIDE hat sich für die Wiederzulassung (bela)russischer Teams entschieden!
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Mit knapper Mehrheit (Stimmenverteilung steht weiter unten im Text) hat die FIDE entschieden, ab sofort russische und belarussische Teams wieder unter ihrer Flagge zu internationalen Wettkämpfen zuzulassen. Wahrlich eine umstrittene Entscheidung angesichts des Krieges in der Ukraine, der mit unveränderter Härte geführt wird! Offen ist lediglich, ob die russische und belarussische Flagge nur bei Jugendkämpfen oder auch bei Erwachsenenkämpfen zugelassen wird; letzteres soll noch mit dem IOC verhandelt werden.
Die FIDE-Generalversammlung schreibt die Rückkehr aller Teams vor und stellt die Rechte von Jugendspielern im Einklang mit den IOC-Empfehlungen vollständig wieder her; der FIDE-Rat soll nach IOC-Konsultation die Regeln für erwachsene Teams anpassen.
Während der FIDE-Generalversammlung, die am 14. Dezember online stattfand, stimmten die nationalen Delegierten über zwei separate Resolutionen über den Status russischer und belarussischer Schachspieler ab. Die erste Resolution wurde von der Russischen Schachföderation eingereicht, während die zweite Resolution vom FIDE-Rat vorgeschlagen wurde.
Beide Resolutionen bezogen sich auf die jüngsten Entscheidungen und Empfehlungen des Internationalen Olympischen Komitees zu Spielern aus Russland und Weißrussland. Die Resolution des FIDE-Rats bezog sich auch auf die jüngste Entscheidung des Olympischen Gipfels auf der Grundlage der Empfehlung des IOC und stellte fest, dass „Jugendsportler mit russischem oder belarussischem Pass nicht mehr bei ihrem Zugang zu internationalen Jugendwettbewerben sowohl im Einzel- als auch im Mannschaftssport eingeschränkt werden sollten … Darüber hinaus sollten die Standardprotokolle des IF oder des Internationalen Sportveranstaltungsveranstalters in Bezug auf Flaggen, Hymnen, Uniformen und andere Elemente gelten. Die oben genannten Grundsätze sollten für die Olympischen Jugendspiele 2026 in Dakar gelten und von allen Internationalen Föderationen und Internationalen Organisatoren von Sportveranstaltungen und für ihre eigenen Jugendveranstaltungen zur Annahme empfohlen werden.“ (siehe: Olympic Summit bekräftigt die Grundrechte der Athleten auf Zugang zum Sport ohne politische Einmischung).
In einem Verfahrensergebnis, das die Vielfalt der Ansichten innerhalb der Schachgemeinschaft widerspiegelt, stimmte die Generalversammlung dafür, sowohl die von der Schachföderation Russlands vorgeschlagene Resolution (61 Ja-Stimmen, 51 Nein-Stimmen, 14 Enthaltungen und 15 Delegierte, die nicht abgestimmt haben) und die vom FIDE-Rat vorgeschlagene Resolution (69 Ja-Stimmen, 40 Nein-Stimmen, 15 Enthaltungen und 17 Delegierte, die nicht abgestimmt haben).
Im Anschluss an die Ergebnisse stellten die Delegierten Fragen zur verfahrensrechtlichen Interaktion zwischen den beiden angenommenen Texten und deren unmittelbarer Anwendung.
FIDE-Präsident Arkadj Dworkowitsch stellte fest, dass beide Entscheidungen die nötige Mehrheit erreichten und gültiger Ausdruck des Willens der Versammlung sind.
Folglich wird der FIDE-Rat unverzüglich mit den Konsenspunkten fortfahren, die in beiden Resolutionen in Übereinstimmung mit den Empfehlungen des IOC und den jüngsten Leitlinien des Olympischen Gipfels zum Zugang zu Sport und politischer Neutralität gefunden werden.
Die Beschlüsse unterscheiden sich in den technischen Protokollen zur Verwendung von nationalen Symbolen (Flaggen und Hymnen) in Wettbewerben der Erwachsenenmannschaft.
- Der Vorschlag der Russischen Schachföderation fordert die sofortige Wiederherstellung nationaler Symbole.
- Der Vorschlag des FIDE-Rats schreibt die Verwendung nationaler Symbole (nur) bei Jugend- und Juniorveranstaltungen vor, erfordert jedoch derzeit neutrale Symbole für Veranstaltungen für Erwachsene, vorbehaltlich einer weiteren IOC-Konsultation.
Um die Rechtsgültigkeit beider Stimmen zu respektieren, hält der FIDE-Rat die Entschließung für unmittelbar, als Basis für die Geschäftstätigkeit. Das bedeutet, dass:
- Teams aus Russland und Weißrussland sind zu offiziellen FIDE-Turnieren zugelassen.
- Die vollständige Verwendung von nationalen Symbolen ist in Jugend- und Juniorenwettbewerben im Einklang mit den IOC-Empfehlungen erlaubt.
- Die Beschränkungen für die Durchführung offizieller FIDE-Veranstaltungen in Belarus werden aufgehoben, im Einklang mit den jüngsten Leitlinien des Olympischen Gipfels zum Zugang zum Sport und zur politischen Neutralität.
In Bezug auf die spezifische Divergenz über Symbole bei Erwachsenenveranstaltungen wird der Rat das in der Entschließung des Rates für die Konsultation mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) enthaltene Mandat erfüllen.
Der Rat wird nach diesen Konsultationen eine endgültige Entscheidung über die Verwendung von Flaggen und Hymnen in Veranstaltungen für Erwachsene treffen, um die Angleichung an die internationalen Sportstandards und das IOC sicherzustellen.
Hier taucht wieder mal die alte Frage auf, ob Sport frei von Politik sein kann oder nicht. Aus meiner Sicht war es richtig, nach Beginn des Kriegs harte Sanktionen gegen Russland und Belarus zu verhängen, die auch im Sport gelten. Umgekehrt argumentieren einige, dass man die Spieler nicht dafür bestrafen sollte, dass ihr Land in den Krieg eingetreten ist. Aus diesem Grunde fand man den Kompromiss, russische und belarussische Teams unter neutraler Flagge antreten zu lassen. Dass die FIDE diese Entscheidung auf Antrag Russlands nun aufhebt, und sich dabei hinter einem Beschluss des IOC versteckt, obwohl der grausame Krieg immer noch anhält, muss man nicht unbedingt verstehen. Es ist ein Schlag ins Gesicht der Ukraine!
Und genau deshalb durften sie ja unter neutraler Fahne teilnehmen und auch gewinnen, aber ohne Hymne und Fahne bei der Siegerehrung. Ich habe oft in den letzten Jahren die FIDE-Hymne gehört, die stattdessen vor Ort gespielt wurde. Wenn nun aber wieder „Russland, unsere geheiligte Macht“ erklingt, profitieren davon nicht in erster Linie die Kinder und Jugendlichen, sondern es wird den Verbände leichter gemacht, aus diesen Erfolgen Propagandamaterial zu generieren. So ein Foto mit Fahne auf dem Siegerpodest macht sich deutlich besser in der Vermittlung russischer Überlegenheit und Siegesgewissheit, als eins ohne. Die FIDE hilft dabei, dass Kinder- und Jugendlichen leichter zu diesem Zweck instrumentalisiert werden können.
Ergänzend hat heute die exilrussische Schachspielerin Tatjana Maltsevskaja über Facebook folgendes mitgeteilt: Und heute beraubt der russische Schachverband den Großmeister Fedosejew, der zum slowenischen Verband gewechselt ist, um den Titel „Meister des Sports Russlands“ und danach auch des Titels „Großmeister Russlands“. Mit folgender Begründung: „Du kannst deine Lehrer, deine Heimat, nicht verraten, dank der du Großmeister geworden bist und alles erhalten hast“, sagte TASS-Geschäftsführer des FSHR Alexander Tkachev. – Die verdient man einfach nicht nach solchen Aussagen. “
Tatjana fragt sich: Wen habt ihr in eine normale Gesellschaft zurückgebracht? Nach allem, was zwischen russischem Schachverband und FIDE passiert ist, ist es logisch, dass FIDE dem Beispiel der Genossen folgt und Fedoseev auch etwas entzieht. Im Allgemeinen weiß man nicht immer, wozu ein Mensch fähig ist. Und ich bin sehr froh, dass Fedoseev kein Freak ist, wie diejenigen, die weiterhin für Russland spielen, lächeln und so tun, als wäre nichts passiert.
Wie Stefan Löffler in einem informativen Beitrag in der FAZ berichtet, gibt es wohl Überlegungen, die Beschlüsse wegen angeblichen Verfahrensfehlern vor dem CAS anzufechten. Davon unabhängig ist jedoch der DSB gefordert, Haltung zu zeigen und in enger Abstimmung mit anderen insbesondere europäischen Verbänden etwa keine Teams zur Schacholympiade 2026 nach Usbekistan zu entsenden.
Hallo Herr Kleinert, das ist jetzt aber hoffentlich nicht Ihr Ernst, dass der Deutsche Schachbund aus diesem Anlass darauf verzichten sollte, ein Team (bzw. zwei Teams) zur Olympiade zu schicken. Ich finde den Beschluss auch völlig verkehrt, aber das darf definitiv nicht die Konsequenz sein, sonst schneidet man sich ja ins eigene Fleisch.
Lieber Herr Hertneck,
wenn sich die europäischen Staaten mehrheitlich auf eine Nichtteilnahme einigen könnten, sollte man die Ukraine bei deren mutmaßlicher Absage nicht alleine im Regen stehen lassen. Dies würde ein starkes Zeichen gegen den russischen FIDE-Präsidenten und seinen Mentor im Kreml darstellen. Ich gebe Ihnen insoweit Recht, als eine Absage lediglich einer Handvoll Nationen vermutlich eher wenig zielführend wäre. Aber selbst damit könnte man ein Zeichen setzen, siehe etwa die Nichtteilnahme der Rundfunkanstalten von Spanien, Island, Irland und den Niederlanden am kommenden ESC. Haltung zeigen geht eben leider oftmals nicht, ohne sich „ins eingene Fleisch zu schneiden“. Immerhin würde der DSB die eingesparten Gelder sicherlich auch anderweitig sinnvoll nutzen können.
Also ich denke wenn das die Konsequenz wäre, dann reden wir schon fast von einer Spaltung der Schachwelt, und die will man ja sicher nicht haben. Allerdings finde ich beunruhigend, dass hier eine Mehrheit der Stimmen erzielt wurde. Wer um alles in der Welt hat dafür gestimmt, dass Russland mit Flagge und Hymne wieder zugelassen wird? Ich vermute, kleinere Mitgliedsstaaten aus Afrika und Asien.
Ich vermute, dass die Stimmen zusammengekauft wurden, bei denen das Preis/Leistungsverhältnis passt. Man sollte sich da keine Illusionen machen. In diversen Konflikten in Afrika, die in Europa nur wenige interessieren, sterben viel mehr Menschen als im Ukrainekrieg. Den Afrikanern kann ich es da nicht einmal verdenken, dass denen der Ukrainekrieg herzlich egal ist.
Es gibt ja auch einen Artikel beim Schachbund „DSB-Präsidentin kritisiert die FIDE – aber Russland kehrt an die Bretter zurück“. Warum eigentlich nach dem Bindestrich „aber“ und nicht „denn“?
Auch beim Schachbund (Quelle von Stefan Löffler?) steht „Mehrere Verbände prüfen nun eine Klage vor dem Sportschiedsgericht CAS, aber die damit verbundenen Kosten seien hoch. Der norwegische Verband, neben dem DSB, England, Irland, den Niederlanden und den USA ein großer Kritiker der FIDE-Initiative, wird sogar eine Dringlichkeitssitzung zu dem Thema abhalten.“
Zuvor „wirre, teilweise verstörende Generalversammlung des Weltverbandes FIDE“ – Einschätzung von Ingrid Lauterbach. Geheime Wahl wird kritisiert und als „nicht zulässig“ bezeichnet, wäre eine offene Abstimmung anders ausgegangen? Aus meiner Sicht dabei merkwürdig, dass relative Mehrheiten (Enthaltungen und nicht abgestimmt bleibt außen vor) hier ausreichen – wobei „mir doch egal“ weder Zustimmung noch Ablehnung ist.
Quelle: https://www.schachbund.de/news/dsb-praesidentin-kritisert-die-fide-aber-russland-kehrt-an-die-bretter-zurueck.html