
Am Sonntag war wieder Schachtalk-Zeit – diesmal mit Norbert Wallet zu Gast. Der Berliner Politikjournalist der Stuttgarter Zeitung schreibt beruflich vor allem über Bundestag und Weltpolitik. Doch er ist auch seit vielen Jahren mit dem Schach verbunden. Im Gespräch mit Michael Busse und Jonathan Carlstedt wurde deutlich: Zwischen Politik und Schach gibt es mehr Verbindungen, als man auf den ersten Blick denkt.
Vom Politikbetrieb zum Schachbrett
Wer sich über Wallet informiert, stößt schnell auf seine journalistische Arbeit. Aber auch das Thema Schach taucht früh auf – nicht nur als Hobby, sondern als ernsthafte Leidenschaft. Wallet ist Kolumnist, Buchautor und regelmäßiger Turnierbegleiter. In seinem aktuellen Buch „100 Jahre Schachturniere in Hastings“ widmet er sich einem traditionsreichen Turnier mit vielen Geschichten und historischen Einblicken – sachlich, gut recherchiert und mit persönlicher Note.
Transgender, Saudi-Arabien und Verantwortung im Schach
Im Talk geht es auch um größere Fragen rund um das Schach – zum Beispiel um die Transgender-Debatte. Wallet plädiert für einen ausgewogenen Umgang: Einerseits solle Schach offen für alle sein, andererseits dürfe man biologische Unterschiede nicht völlig ausklammern. Pauschallösungen seien hier nicht hilfreich.
Auch der eSports World Cup in Saudi-Arabien wird thematisiert. Wallet spricht über den Zwiespalt, wenn Spitzensport in autoritären Ländern stattfindet. Für ihn steht dabei die Frage im Raum, wie Spieler und Verbände mit ihrer Verantwortung umgehen. Die Begeisterung für das Spiel und die politischen Rahmenbedingungen stehen dabei oft in Spannung zueinander.
Wallet über Schachjournalismus: Ohne Konzeptwechsel keine Zukunft
In Sachen Schachberichterstattung spricht Norbert Wallet aus, was er für unausweichlich hält: Schachmagazine müssen ihr Konzept ändern, wenn sie überleben wollen. Der Fokus auf Partien und Ergebnisse reicht nicht mehr – gefragt sind Einordnung, Analyse und journalistische Tiefe. Auch etablierte Formate wie die Zeitschrift SCHACH sieht er hier in der Verantwortung, sich weiterzuentwickeln und über die reine Berichterstattung hinauszugehen.
Streitpunkt Carlsen
Kritisch äußert sich Wallet über Magnus Carlsen. Er hofft, dass sich der Norweger nach und nach von der Schachszene zurückziehen wird – und macht deutlich, dass er Carlsens Auftreten in den letzten Jahren kritisch sieht. Besonders sein Faustschlag nach der Niederlage gegen Gukesh stößt bei ihm auf Ablehnung. Jonny Carlstedt widerspricht hier entschieden. Die Diskussion zeigt, dass auch im Schach unterschiedliche Sichtweisen nebeneinander stehen dürfen.
Problemschach: Konzentration statt Bühne
Am Ende geht es noch um eine stillere Form des Spiels: das Problemschach. Wallet zeigt sich beeindruckt von der Kunstfertigkeit der Komponisten, die mit wenigen Figuren komplexe Stellungen erschaffen. Für ihn ist das Problemschach eine andere, aber nicht weniger faszinierende Seite des Spiels – ruhig, durchdacht und ganz ohne Show.
Fazit
Der 18. Schachtalk war ein sehr reflektiertes Gespräch. Wallet brachte klare Positionen, gute Geschichten und fundierte Beobachtungen mit. Wer die Folge noch nicht kennt, kann sie hier nachschauen:
🎧 Zur Folge auf YouTube:
Zur Meinung über Magnus Carlsen: Manchmal habe ich ähnliches gedacht. Andererseits: So lange er da ist, polarisiert und nervt er. Aber sollte er erst einmal weg sein, werden ihn die meisten etwas vermissen.
Viele Grüße, Ingo Althöfer.
Klar, daß Carlsen als weithin Bester auch etwas „selbst in die Hand nimmt“. Das tat ja vorher Kasparov auch.
Die besten 20 der Welt verdienen nun gut. Das taten sie vorher wohl auch, jetzt sind aber andere Summen im Spiel.
Ob die Plätze von etwa 30 – 100 auch von dem Boom finanziell so betroffen sind?
Ich glaube das kaum. Also hat sich vielleicht wenig verändert, ausser die Summen, die verdient werden können?!
Carlsen spielt einfach des öfteren Schach vom anderen Stern! Er hat das Spiel wirklich auf ein anderes Level gebracht.
Und ich glaube, das kann ich beurteilen. Er holt aus gleichen oder leicht schlechteren Stellungen das Maximum heraus. Er sieht unheimlich viel.
Im Ganzen verhält sich Carlsen m.E. gut am Brett. Daß er sich aufregt, wenn er unterirdisch schlecht spielt?! Jeder kennt ja den Frust, eine gut geführte Partie durch eine Dummheit oder durch einen plötzlich schlechten Energielevel wegzuwerfen.
Wenn er nach einer wirklich blöden Partie Interviews gibt, dann sind sie durch die Bank objektiv – und ruhig. Das ist eine Art Reife, die ich bewundere.
Carlsen spielt auch immer wieder Serien gegen Newcomer auf Chess.com, für etwa eine Stunde. Da habe ich mir Diverses angeschaut. Was für ein besseres Training in Zähigkeit/Partieanlage ect kann es denn geben?
Vor 50 Jahren hätte sich jeder die Finger geleckt, solche Privatstunden zu bekommen.
Aber: Jede Kritik darf sein und die hatte ja auch einen Punkt! Oder auch zwei, drei.
In solcher Unbedingtheit hörte ich allerdings noch wenig. Hikaru äusserte sich in einem Kurzen Video ähnlich.
Was ich sehe, ist, daß enorm viele Talente in sehr jungen Jahren nach vorne drängen. Ohne Titel und hohes Rating können sie heute schnell auf sich aufmerksam machen. Sie können recht schnell in die Elite reinwachsen. Das war vor 50 Jahren vollkommen undenkbar.
Insofern steht Schach in einer besonderen Blüte.
Carlsen kommt jetzt auch langsam in ein Alter, in dem es biologisch ohnehin schwieriger wird.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß er mit 40 noch absolut top ist.
Der einzige im Moment ist Levon Aronian. Was erstaunlich ist. Respekt!
Das meiste der Kritik an Carlsen ist m.E. unangemessen (und nicht zu vergessen, nobody is perfect!).
Was ist schon dabei, wenn er mit dem Faustschlag auf den Tisch seinen Emotionen Luft macht? Das ist nicht nur menschlich, sondern auch durchaus verbreitet. Einige meiner Schüler im Teenage-Alter machen das regelmäßig und wir lachen dann. Lediglich T. habe ich abgewöhnt, mit dem Ellbogen auf den Tisch zu hauen, da das gesundheitlich gefährlich ist. Er schlägt nun mit der flachen Hand auf dn Tisch, wenn er was einstellt, grins.
Im Marketing -Sinn ist Magnus ein Geschenk für die Schachwelt, supergut, ein Kämpfer, ein sportlicher Typ. Selbst – oder gerade – wenn er mal gegen das Etablierte handelt, ist das gut und bringt Schach in die Schlagzeilen. Das Publikum liebt den Rebellen, er bringt Leben in die Bude. Vergleichsweise wäre z.B. Caruana dagegen langweilig solide.
Das Magnus nach 10 Jahren als Weltmeister nicht bereit war, den Stress weiter mitzumachen, ist verständlich. Die Kritik daran kommt entweder von Prinzipienreitern oder von Leuten, die nicht wissen, wie anstrenged und aufreibend die WM-Vorbereitung ist, der er sich alle 2 Jahre unterziehen muss, was ihn für Monate isoliert. Die psychischen Probleme, die von Ding und Nepo bekannt sind, können da als Warnung dienen. Die FIDE hätte da einlenken können / sollen.
Und zu „Free-Style-Chess“: Ich persönlich halte davon nichts und sehe auch keine Perpsektive. Aber warum nicht mal was Neues probieren?
Also Leute: Seid froh das es den Magnus gibt. Es würde wohl der KI schwerfallen, einen besseren zu kreieren, grins!
Genau so ist es. Man muss nur Magnus mit Fabiano vergleichen – dann weiß man, was der Norweger für die Popularisierung des Schachs geleistet hat. Selbst Nakamura kommt da nicht ran, obwohl er in der Beziehung eindeutig die Nummer Zwei ist!