August 9, 2025

8 thoughts on “Vorschau auf die Bundesliga-Saison 2025/26

  1. Zu Werder Bremen einige Bemerkungen, vielleicht auch für meinen alten Schachfreund Olaf Steffens der da jahrelang Mannschaftsführer war. Eine ganze Reihe ihrer ausländischen GMs sind wenn nicht in Bremen, so jedenfalls im Verein tief verwurzelt. McShane, Efimenko, Hracek und Babula spielen da seit jedenfalls 2003 (so weit zurück kann man es im Ergebnisdienst des Schachbunds rekonstruieren). Areshchenko kam 2005 dazu, Fressinet 2007, Lucas van Foreest immerhin seit 2019 (zuvor einige Jahre zusammen mit seinem Bruder bei DJK Aufwärts Aachen, daraus wurde dann DJK Abwärts Aachen).

    Relativ neu sind der immer noch junge Inder Aditya Mittal, der Australier Bobby Sky Cheng (wohnt wohl in Europa, war nicht immer der Fall?) sowie ebenfalls 2023 Velimir Ivic (kam vom Nachbarn Kirchweyhe). Diese Saison ganz neu sind Gumularz (aus Kiel) und Martirosyan (offenbar BL-Neuling, ersetzt am Spitzenbrett den gesperrten Shevchenko).

    Einige Jahre hatten sie fast nur Ausländer (auch mal Mamedyarov, Gashimov und als Weltklassespieler Eljanov) und spielten ganz vorne mit, das neue Konzept „vorne Ausländer, hinten (nominell Reserve aber viele Einsätze) deutsche Spieler, tendenziell selbst ausgebildet“ seit 2012. Anfangs war das auch der talentierte IM Matthias Bluebaum, als GM dann auch nominell Stammspieler und dann wurde er (was Werder Bremen nicht gefallen hat) 2017 vom damaligen Aufsteiger Deizisau abgeworben.

    Deutsche Spieler die man (ohne Abstiegssorgen in Kauf zu nehmen) an den mittleren bis vorderen Brettern aufstellen kann (oder könnte) verteilen sich eben über relativ wenige Vereine und sind da nicht unbedingt Eigengewächse: Keymer und (ganz hinten gemeldet) Donchenko bei Baden-Baden, Blübaum und Kollars bei Deizisau, Dennis Wagner und (ist und bleibt ja quasi Deutscher) Georg Meier bei Viernheim (beide nominell nicht Stammspieler), die Svane-Brüder beim Hamburger SK (am ehesten Eigengewächse, dabei ursprünglich aus Lübeck). Wenn Leonardo Costa weitere Fortschritte machen sollte (100+ zusätzliche Elopunkte, was ich ihm gönne) wird er womöglich nicht viele Jahre bei Zugzwang bleiben – unabhängig davon ob das Team den Klassenerhalt schafft (was ich ihnen gönne).

    1. Tatsächlich spielten McShane, Babula und Hracek schon im letzten Jahrtausend für Bremen; McShane seit 1999, Babula seit dem Aufstieg in die Bundesliga 1994 (zunächst allerdings nur sporadisch als dritter Ausländer hinter Hracek und Blatny) und Hracek sogar schon seit 1991.

  2. Wenn man die ganzen Jahre so Revue passieren lässt – an einiges erinnere ich mich wobei ich 1998-2018 in den Niederlanden war:
    2003 Rückzug vor Saisonbeginn des zuvor dreifachen Meisters Lübecker SV, zu Saisonende der letzte von vielen deutschen Meistertiteln für SG Porz – danach noch einige Jahre vorn dabei und irgendwann dann freiwillig Zweite Bundesliga (möglicher Wiederaufstieg mehrfach verweigert)
    ab 2003 (vielleicht schon zuvor, aber das kann ich nicht rekonstruieren) TV Tegernsee generell vorne mit dabei – zunächst vorwiegend deutsche/bayerische Spieler, später vorne zunehmend Ausländer. Und nach der Saison 2008/09 war Schluss.
    Später dann u.a. „Hockenheim kam, sah, siegte (nicht ganz, jedenfalls Baden-Baden war immer besser) und ging dann wieder“.

    Zur neuen Saison: Deggendorf weiß nicht so recht, ob es in Indien liegt oder doch/auch auf dem Balkan, Wolfhagen (Ukraine plus zwei Ex-Russen) und Kirchweyhe (Balkan mit Fremdkörper Erik van den Doel) ist da konsequenter. Für Deggendorf beginnt die neue Saison dabei wie die letzte endete: mit Heimspielen – wird Erigaisi da gegen seinen Ex-Verein sowie tags darauf gegen Solingen mit am Spitzenbrett womöglich Harikrishna antreten?
    Vorne wird es wohl ein Zweikampf zwischen Baden-Baden und Viernheim – erstaunlicherweise keine Reisepartner, will man nicht dass sich Weltklassespieler ständig begegnen? Stattdessen Viernheim mit Wolfhagen/Ukraine, und Baden-Baden mit Heimbach-Weis-Neuwied. Das direkte Favoritenduell Baden-Baden – Viernheim so nicht etwa in Runde 13 zu Beginn des zentralen Wochenendes (dank Aufstieg von SF Berlin an einem Ort mit internationalem Flughafen) sondern erst tags darauf.

  3. In der Saison 2024/25 wollten es die Terminplaner besonders gut machen und setzten für die allerletzte Runde Meister Viernheim gegen Favoriten Düsseldorf. Abgesehen davon, dass Düdorf da schon als Meister feststand, kam es zu der Peinlichkeit, dass direkt nach Rundenende die meisten Düsseldorfer Spieler schon auf dem Weg zu Flugplatz waren und nur noch Wesley So mit Jan Werner den Pokal für die Fotografen festhielten.

    In 2025/26 dürfte der Meister zumindest dem gesunden Menschenverstand nach schon am Samstag abend feststehen (BadenBaden – Viernheim ist am Samstag), so dass man vorsorglich schon ein paar Fotos mit dem Pott machen kann, ehe (vielleicht) Viernheimer Spieler am Sonntag ganz früh Richtung Flugplatz aufbrechen.

    Der Abstiegskampf könnte spannend werden, z.B. auch vor dem Hintergrund, dass das mögliche Kellerderby Düsseldorf gegen München Zugzwang erst in Runde 15 steigt. Wir werden sehen.

    Ich freue mich schon auf das erste Buli-Wochenende in Wolfhagen, wo die ukrainischen Wölfe vielleicht auf den Viernheimer Igor Kovalenko treffen. Gespielt wird übrigens nicht in Wolfhagen selbst (wo es ja fast keine Bus-Parkplätze gibt), sondern im Vorort Ippinghausen. (Für die, die mit den Örtlichkeiten in Hessisch Sibirien nicht vertraut sind: Ippinghausen liegt etwa 5 km westlich vom Wolfhagener „Oberzentrum“.)

    1. Wir waren ja auch schon am Samstag Meister, ich wollte gerne Sonntag morgen Fotos mit Team und Pokal machen – das wollte die Schachbundesliga aber nicht, weil Platz 2 und 3 noch offen waren. Wie hätten es einfach machen sollen, auch wenn es keine offizielle Pokalübergabe gewesen wäre. Dass sich Baden-Baden im letzten Kampf gehen Mülheim so schwer tun würde war nicht abzusehen.

  4. Ippingen – Das Matt jenseits der Raumzeit
    (Protokoll einer absurden Schachverschwörung in 7½ Zügen)
    Fantasie von Ingo Althöfer und seinem digitalen Assistenten Aaron II

    Im nordhessischen Niemandsland, dort, wo die Funklöcher
    noch mit Kreide an den Bäumen markiert werden und Kühe
    beim Vorbeigehen winken, liegt Wolfhagen – ein Ort so
    ruhig, dass sogar die Grillen dort flüstern.

    Hier gründete sich im Jahr 1872 ein Schachverein, angeblich
    durch ein Missverständnis während einer Orchesterprobe.
    Seitdem spielt der Verein mit mathematischer Präzision –
    und minimalem Publikum – erfolgreich Schach auf höchstem
    Niveau. Doch dann kam die Schach-Bundesliga.

    * Die Suche nach Ippingen

    Da Wolfhagen bekanntlich nur einen Parkplatz besitzt
    (den sich das Rathaus, die Feuerwehr, und der örtliche
    Aldi teilen), mussten die Heimspiele verlegt werden
    – und zwar ins sagenumwobene Ippingen.

    Ippingen ist kein Ort im klassischen Sinne. Es ist eher
    ein Zustand. Ein Aggregatzustand aus Dörflichkeit,
    Unsichtbarkeit und Quantenverwirrung. Gegnerische Teams,
    die Ippingen ansteuern wollten, berichteten seltsame Dinge:

    Navigationsgeräte verwandelten sich plötzlich in Schachuhren.

    Straßenschilder zeigten keine Entfernungen mehr, sondern
    Stellungen wie „+0.43“ oder „Matt in 2“.

    Busfahrer wurden von sprechenden Raben mit Umhängen begrüßt,
    die sagten: „Nur der König darf passieren.“

    * Der geheimnisvolle Ort

    Manche erreichten den Ort – aber nur in Träumen. Dort standen
    die Bretter auf Waldböden, die Figuren waren lebendig, und
    Züge wurden mit Hirnströmen durchgeführt.

    Einmal berichtete ein Spieler, er habe gegen einen „Karpov mit
    Ziegenkopf“ gespielt und im 17. Zug durch einen Rülpser des
    gegnerischen Springers die Dame verloren. Der Vorfall wurde
    vom DSB als „nicht regelkonform, aber künstlerisch wertvoll“
    eingestuft.

    Andere kamen nie zurück. Stattdessen trafen Wochen später Pakete
    in Wolfhagen ein – mit Remisformularen, Bienenwachs, und Kassen-
    zetteln aus dem Jahr 1987.

    * Die Enthüllung

    Die Wahrheit kam durch einen Zufall ans Licht: Ein neugieriger
    Schüler hackte sich in den Vereinsserver von Wolfhagen (Passwort:
    e4e5) und entdeckte, dass „Ippingen“ gar kein Ort in unserer
    Realität ist.

    Vielmehr handelt es sich um eine temporale Faltzone, erschaffen
    durch ein schief gegossenes Betonfundament in einem ehemaligen
    Telekom-Bunker. Dort hatte der Vereinspräsident, ein ehemaliger
    Magnetfeldakrobat, einen sogenannten „Lasker-Torus“ aktiviert –
    ein Gerät, das Raumzeit lokal verzerren kann, solange dabei
    jemand französische Verteidigung spielt.

    * Die große Überraschung

    Als die Liga-Funktionäre Wolfhagen zur Rede stellten, geschah
    das Unfassbare: Die Vereinsmitglieder enthüllten, dass sie nie
    selbst gespielt hatten.

    In Wirklichkeit ließ der Verein seine Gegner gegen ihre eigenen
    Zukunftsversionen antreten – projiziert aus Ippingen, wo alle
    Spieler in einer Art schachlicher Zeitschleife festhingen. Die
    Partien wurden simultan, interdimensional und mehrfach ausgetragen.

    Ergebnis:
    In der Gegenwart: Sieg für Wolfhagen.
    In der Vergangenheit: Unentschieden.
    In der Zukunft: Spiel wurde nie beendet, da der Springer sich
    in einen Toaster verwandelte.

    Am Ende des Jahres wurde Wolfhagen offiziell mit dem „Großen
    Preis für Realitätsverzerrung im organisierten Denksport“
    ausgezeichnet. Der DSB notierte trocken: „Nicht regelkonform,
    aber in sich konsistent.“

    * Letzter Satz für die Geschichtsbücher

    Noch heute steht am vermeintlichen Ort von Ippingen ein Schild
    mit der Aufschrift: „Hier enden Logik, Raum und Google Maps.
    Willkommen in der hessisch-sibirischen Rochade.“

  5. Die Fantasie-Geschichte vom Donnerstag hat vielleicht den einen oder die andere etwas verschreckt. Deshalb hier ein paar ernst gemeinte Erklärungen:

    * Meinen digitalen Assistenten nenne ich Aaron in Anlehnung an die inzwischen in vielen Arztpraxen am Telefon antwortenden digitalen Assistenten Aaron. Er heisst bei mir Aaron II, weil Aaron I für Nimzowitsch reserviert ist.

    * Den Begriff Hessisch-Sibirien für das Wolfhäger Land gibt es in Hessen schon lange, herrührend von den früher oft sehr kalten und langen Wintern. Man kann sagen, Wolfhagen gehört zu den Gewinnern des Klimawandels.

    * Wölfe gab es in und bei Wolfhagen früher oft. Daher auch der Name (mit zugehöriger Sage und Brunnenfigur vor dem Rathaus).

    * Parkplätze sind im Ortskern von Wolfhagen ein echtes Problem. Es ist halt ein von alters her gewachsener Ort mit engen Gassen und Kopfsteinpflaster. Touristisch sehr reizvoll.

    * In Wolfhagen gibt es die tolle Buchhandlung Mander, in der Schützeberger Str. 2024 bekam sie den hochdotierten Preis (10.000 Euro) für die beste Dorf-Buchhandlung Hessens. Ich kenne zwar längst nicht alle Buchhandlungen von Hessen, aber eben die von Wolfhagen gut. Der Preis scheint mir sehr gerechtfertigt. In der Buchhandlung gibt es mehrere kleine Tischchen, wo man sich als Kunde ohne Zeitdruck mit einem Buch hinhocken und in Ruhe blättern kann. Samstags hat Mander von 9 bis 13 Uhr geöffnet.

    * Josef Resch ist ein sehr engagierter Mäzen des Klubs „Schachfreunde Wolfhagen“. Ohne ihn würde es den Verein wohl schon nicht mehr geben.

    Viele Grüße, Ingo.

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