Liebe Schachfreundinnen und -freunde!
Nach der neuesten FIDE-Rangliste vom 1. August 2025 stehen die deutschen Frauen weiterhin auf Platz 8.
Ein Platz unter den Top Ten der Welt ist eigentlich aller Ehren wert. Trotzdem gibt es viele Stimmen, die von einer Krise des deutschen Frauenschachs reden.
Die Rangliste wird aufgestellt nach dem Durchschnitt der 10 ELO-besten Spielerinnen. Schaut man sich diese Liste an, fällt auf, dass die Hälfte von ihnen keine aktuellen Nationalspielerinnen mehr sind:
Dies gilt für Zoya Schleining, Marta Michna, Tatjana Melamed und Ketino Kachiani-Gersinska, die unter dem Blickwinkel des Leistungsschachs inzwischen als zu alt gelten. Auch Elisabeth Paehtz hat kürzlich ihren Rücktritt aus der Nationalmannschaft erklärt.
Die übrigen fünf der Top Ten sind die aktuellen Nationalspielerinnen Dinara Wagner (2023), Kateryna Dolzhykova (2024), Hanna Marie Klek (2017), Lara Schulze (2019) und Josefine Safarli (2021). Die Zahlen hinter ihrem Namen geben an, wann sie die höchste ELO-Zahl ihrer bisherigen Laufbahn („Peak“) erreicht haben. Bei allen liegt dies schon eine Weile zurück, teilweise sogar schon über fünf Jahre.
Dies gilt auch für die übrigen Mitglieder des derzeitigen B-Kaders, nämlich Sarah Papp (2017), Jana Schneider (2021) und Fiona Sieber (2017):
Man muss hieraus den betrüblichen Schluss ziehen, dass alle älteren Kaderspielerinnen ihren Peak bereits hinter sich haben. Kein Wunder, dass es mit dem deutschen Frauenschach international nicht weiter aufwärts geht.
Etwas anderes gilt erfreulicherweise für die jungen Spielerinnen des B- und C-Kaders. Lisa Sickmann, Svenja Butenandt und Luisa Bashylina hatten ihren bisherigen Peak im Jahr 2024, Charis Peglau und Michelle Trunz sogar erst in diesem Jahr. Sie werden wohl bald in den B-Kader hineinwachsen und Kandidatinnen für das National-Team werden.
Schöne Grüße
Euer Henning
Dieser Beitrag ist schon ein bisschen älter und wurde erst jetzt publiziert.
Er wurde bereits vor dem schönen Erfolg der deutschen Frauen bei der Mannschafts-Europa-Meisterschaft verfasst. Dieser ändert aber nichts an meiner kritischen Einschätzung der aktuellen Situation im deutschen Frauenschach.
‚ein bisschen älter‘ bedeutet in dem Fall fünf Tage zwischen Zusendung und Veröffentlichung, um Missverständnisse auszuschließen!
Inhaltlich erscheint es mir (unabhängig vom jüngsten Erfolg der deutschen Frauen) erst pessimistisch und dann im letzten Absatz recht optimistisch.
Bei den etablierten Spielerinnen muss man natürlich ohne die „unter dem Blickwinkel des Leistungssport zu alten“ planen, wohl auch ohne Pähtz (könnte sich bei neuer DSB-Führung nochmal ändern, auch dann wäre es wohl nur vorübergehend nochmal), vermutlich ohne Sarah Papp. Die anderen hatten (mit K-Faktor 20) alle starke Schwankungen, „Detail“ wenn das absolute Elo-Maximum länger zurück liegt.
Als Beispiele:
Klek 2376 anno 2017, 2373 anno 2022, 2347 im Juli dieses Jahr und wenn die Mannschafts-EM ausgewertet ist im November wieder [vielleicht leichter Abwärtstrend aber kein Absturz]
Schulze 2345 im September 2019, 2340 im Mai 2025
Am kuriosesten Dolzhykova: Peak mit 2351 streng genommen im Oktober 2008 als gerade 20-jährige Ukrainerin, nach Höhen und Tiefen in ihrem Leben (nicht nur schachlich) als Deutsche letztes Jahr maximal 2345, dieses Jahr maximal 2342.
Die im letzten Absatz genannten sind alle noch Teenager, natürlich mit Peak erst vor kurzem. Bei allen fehlen momentan noch mindestens ca. 100 Punkte für Niveau Nationalmannschaft. Mit K-Faktor 40 sind Schwankungen natürlich noch extremer: Lisa Sickmann hatte bereits 2251 und hat aktuell 2018. Michelle Trunz hatte 2162, aktuell 1979 (momentan nur ihre Mutter in der deutschen top100 der Damen), im November sind es wieder 2067. Meine Prognose: eine oder zwei von fünf schaffen es vielleicht in die Nationalmannschaft, alle fünf jedenfalls nahe dran würde mich überraschen. Ein kompletter Generationswechsel vielleicht in fünf Jahren, oder auch nicht. Natürlich sollten sie dabei weiter gefördert werden, aber es ist „ergebnisoffen“.