
100 Jahre Schachklub Schwandorf
Oberpfälzer Vereinsjubiläum mit Weltstars des Schachs Peter Leko und Vincent Keymer
Schon als kleiner Junge und bevor er mit 14 Jahren der damals jüngste Großmeister aller Zeiten wurde, verbrachte Peter Leko viele Wochen beim Schachklub Schwandorf 1925. Er spielte sogar 1995 eine Partie an Brett 1 für die Oberpfälzer als fertiger Großmeister. Auch nachdem er Top Ten der Weltrangliste wurde und Turniere wie Dortmund 2002 (vor Kramnik) gewonnen hatte, was ihn zum Match um die Weltmeisterschaft (gegen Kramnik) qualifizierte, kam er noch nach Schwandorf. Deswegen war es nur logisch, dass man ihn für das Festwochenende des Vereinsjubiläums am 8./9. März gewinnen wollte und konnte. Als langjähriger Trainer des deutschen Ausnahmetalents Vincent Keymer brachte er dann den Shooting-Star der Schach-Szene mit. Zu den zahlreichen Ehrengästen des Festwochenendes zählte auch die Präsidentin des Deutschen Schachbundes Ingrid Lauterbach. Für den Provinzverein mit 110 Mitgliedern, der in der Landesliga Nord in Bayern spielt, eine also wirklich große Nummer.
Blitzturnier für Nicht-Vereinsspieler und Jugendliche
Den Auftakt bildete ein Blitzturnier, bei dem bewusst Vereinsspieler ausgeschlossen waren, um die Attraktivität zu erhöhen und die Hemmschwelle für Gelegenheitsspieler herabzusetzen. 27 Spieler kämpften so um die Titel „Stadtmeister“ bei den Jugendlichen und den Nicht-Vereinsspieler.
Uhrensimultan
Als sportliches Kernstück spielte Vincent Keymer gegen 10 Schwandorfer Jugendliche ein Uhrensimultan mit 60 Minuten pro Spieler – sein erstes Uhrensimultan überhaupt. Währenddessen kommentierte Peter Leko für das Publikum live die Partien und beantwortete immer wieder auch Fragen zu sich selbst und Vincent Keymer. Hatte ein Jugendlicher seine Partie beendet, so konnte er auf der Bühne vom Vizeweltmeister von 2004 eine Kurzanalyse und Tipps zur Verbesserung seines Spiels erhalten. Qualitativ stach die Partie von Oliver Schmidt (DWZ 2019) heraus. Er hielt das Match bis ins Endspiel in der Remisbreite, verlor schließlich auf Zeit. Aus Respekt vor der Leistung des Schwandorfers setzte das deutsche Toptalent die Partie ohne Uhr fort und gewann schließlich das Endspiel. Zeitgleich und unabhängig davon attestierte Kommentator Leko dieser Partie „Wenn du diese Partie siehst, kannst du nicht beurteilen, ob der Schwarze Großmeister oder Amateur ist.“ Großes Lob also für den besten Schwandorfer Nachwuchsspieler. Die Post-Mortem-Analyse verlegten beide Kontrahenten publikumswirksam auf die offene Bühne. Als Moderator und Vereinsvorsitzender Johannes Paar auf Keymer fragte, ob es auch einen Schreckmoment gegeben habe, verwies dieser wie aus der Pistole geschossen auf die Partie gegen Leonard Stöckl (DWZ 1595). Dieser hatte die Partie lange ausgeglichen gestaltet, wurde dann vom Großmeister überspielt. Dennoch hätte er nach einer Ungenauigkeit mit 44…Txf5! bzw. 45…Txf5! den Favoriten ins Dauerschach zwingen können. So aber blieb es ein 10:0. Viele Zuschauer nutzten die Gelegenheit im Anschluss bei einer Autogramm-Viertelstunde Unterschriften oder Fotos mit beiden Weltstars des Schachs zu machen.
Festbankett
Am Abend dann fanden sich die Mitglieder des Schachklubs Schwandorf 1925 mit Ehrengästen zum Festbankett ein. In einem kurzweiligen Bildervortrag ließen Vereinsvorsitzender Johannes Paar, Ehrenvorsitzender Günter Jehl sowie Spiel- und Jugendleiter Stephan Stöckl Streiflichter der 100jährigen Vereinshistorie lebendig werden. Die langjährigen Schwandorfer Spitzenspieler IA/IM Pavel Votruba und IM Petr Zvara überbrachten die Schachgrüße aus ihrer Prager Heimat. Leko sprach über seine Zeit in Schwandorf und seiner Dankbarkeit gegenüber dem 2002 verstorbenen Vereinsvorstands und Förderers Dr. Gerhard Fink. Keymer schilderte seine Erlebnisse vom Turniersieg im Weissenhaus, wo er im Freestyle-Schach das Turnier gewann, nachdem er nacheinander Firouzja, Carlsen und Caruana besiegen konnte. Im Beisein von Präsidentin Lauterbach und zahlreichen Ehrengästen schnitten Peter Leko und Vincent Keymer die Schachtorte in Form eines schwarzen Turmes (ganz im Stile des Vereinswappens) an und überreichten das erste Stück dem langjährigen Motor des Schwandorfer und Oberpfälzer Schachs Stephan Stöckl.
Training mit Peter Leko
Zum Abschluss des offiziellen Teiles fand am darauffolgenden Sonntag ein öffentliches Training statt. In der Masterclass präsentierte der Vizeweltmeister sämtliche Nuancen seiner Partie gegen Schirow Dortmund 2002, die ein wichtiger Meilenstein für seine Qualifikation zum WM-Kampf gegen Kramnik wurde, nicht zuletzt, weil später auch Topalov diese Variante des Sweschnikow gegen ihn in einer verbesserten Version wiederholte. Leko aber hatte seine Hausaufgaben gemacht und wiederum die richtige Antwort parat. Unterwegs gab der Ungar seinen Zuschauern anhand der Partie vor allem wichtige Tipps zum Mindset eines Profi-Schachspielers sowohl zum Training als auch zum Wettkampf, so z. B. dass man mit billigen Tricks oder reinem Auswendiglernen sich schachlich nicht weiterentwickeln kann. Der abschließende Lösewettbewerb war als Challenge gestaltet. Zunächst bekamen alle Anwesenden jeweils eines von zwei Sets von zehn teils sehr anspruchsvollen Stellungen zu lösen in einer halben Stunde. Anschließend musste Leko beide Sets öffentlich am Beamer lösen und schaffte das in sieben Minuten.
Blitzturnier mit Peter Leko
Zum Abschluss waren alle Vereinsmitglieder und Helfer der Veranstaltung noch eingeladen zu einem exklusiven, neunrundigen Blitzturnier mit Peter Leko, das jener selbstredend mit 9 aus 9 gewann. Der Meister nahm sich dabei Zeit für eine kleine Analyse mit jedem seiner Gegner.
Lösung des 5-Zügers zu „100“.
Bei der Ornamentaufgabe, deren Figuren die Zahl „100“ abbilden, fällt auf, dass
- der schwarze König das Fluchtfeld e4 besitzt, von dem aus er nach Feld f3 fliehen könnte (weshalb der Versuch 1.Tb7?/Tb8? noch nicht funktioniert) und
- sich der schwarze Bauer g3 in zwei Zügen mit Schachgebot in Dame oder Turm umzuwandeln droht.
Mit dem Schlüsselzug 1.Sf6! raubt Weiß zunächst das Fluchtfeld e4, so dass nun doppelt Tb7/Tb8 nebst Te7#/Te8# (auch nach 2.Lg5) droht. Der Doppeldrohung begegnet Schwarz mit der Totalparade 1.-,g2. Dieser Bauer wird sich als Fernblock erweisen. Nach 2.Tb7?/Tb8? würde Schwarz durch die Promotion 2.-,g1D+ gerettet. Vor diesem Schachgebot schützt sich Weiß mit dem Springeropfer 2.Sg4+!. Mit diesem Schachgebot gibt Weiß das mit dem Schlüsselzug genommene Fluchtfeld e4 postwendend wieder frei. Allerdings darf der schwarze König dieses Feld nicht sofort zur Flucht nutzen, da er nach 2.-,Kxe4 kürzerzügig matt gesetzt würde: 2.-,Kxe4? 3.Sxd6+,Kf3 4.Ld1#, nach 3.-,Kd4 folgt 4.Lf6#.
Schwarz bleibt also nur, das Opferangebot im zweiten Zug anzunehmen, 2.-,fxg4. Dieser Bauer verstellt die g-Linie, so dass der weiße König bei Umwandlung des g-Bauern dauerhaft vor einem Schachgebot geschützt ist. Nun stellt 3.Tb7! die echte Drohung 4.Te7# auf (nicht 3.Tb8?, was Schwarz die Königsflucht 3.-,Ke6 gestatten würde).
Das drohende 4.Te7# vermag Schwarz nur durch Königsflucht zu parieren. Hierfür kommen die Felder e4 und f4 (nach 3.-,f3) in Frage. Die Flucht 3.-,Kxe4 findet in 4.Te7+,Kf3 5.Ld1# ihr Ende. Versucht der schwarze König nach 3.-,f3 auf das Feld f4 zu fliehen, so unterbindet Weiß dies mit 4.Lg5. Auf jeden beliebigen schwarzen Zug folgt 5.Te7#, wobei der Bauer f3 nach 4.-,Kxe4 ebenfalls als Fernblock gedient hat.
Thema der Aufgabe: Schachschutz durch Springeropfer und Fernblock in Doppelsetzung (Fernblock bedeutet: Der König wird zur blockenden Figur gelenkt.).
In Notation:
1.Sf6+! (droht 2.Tb7/Tb8 3.Te7#/Te8#)
1-,g2
2.Sg4+,fxg4 (2.-,Kxe4? 3.Sxd6+,Kf3/Kd4 4.Ld1#/Lf6#; 2.-,Kxe6?? 3.Txd6#)
3.Tb7 (droht 4.Te7#)
3.-,f3
4.Lg5,beliebig
5.Te7#
3.-,Kxe4
4.Te7+,Kf3
5.Ld1#